Disputorium

Bitte oder Registrieren, um Beiträge und Themen zu erstellen.

"Alea iacta est"? - Wann wird gewürfelt

Aloah liebe Gemeinde,

ich wollte mich mal bei euch erkundigen wie ihr Würfe/Proben im Rollenspiel handhabt, also konkret wann gewürfelt wird.

Um auf meine genau Frage hinzuführen möchte ich vorab ein paar Grundannahmen postulieren:

Grundsätzlich fallen mir drei Formen von Würfen auf.
a) der einfache Wurf: eine Situation erwartet einen einzigen Wurf der über den Erfolg entscheidet (Bsp: Überklettern einer Mauer)
b) der umstrittene Wurf: ein vergleichender Wurf, bei der das bessere Ergebnis den Erfolg beschert (Bsp: Schleichen gegen Wahrnehmung des Wächters)
c) der ausgedehnte Wurf: mehrere vergleichende Würfe, die langfristig über den Ausgang einer Situation entscheiden (Bsp: Kampf)

Zunächst möchte ich also mein Augenmerk auf die Würfe der Kategorie a) legen:

Wann wird hier überhaupt gewürfelt? Dazu muss man zunächst das potentielle Ergebnis der Handlung in Augenschein nehmen und hier möchte ich zwischen Erfolg bezüglich der Spieleraktion und Erfolg bezüglich des Handlungsstrangs unterscheiden.

Ist es für die Handlung nötig, dass der Wurf gelingt, so handelt es sich eigentlich um keine  Wurf. Der GM sollte hier einfach erzählerisch den Erfolg schildern, da ein Misserfolg die aktuelle Handlung schädigt oder gar beendet. Wenn die Spieler die Information brauchen um weiter spielen zu können, so ist ein Wurf überflüssig, das ein Versagen die Geschichte beendet. Eine Wurfanweisung ist hier also reiner Illusionismus, der den Spielern nur vorgaukelt eine Handlungsfreiheit zu haben.

Ist die Aktion für die Handlung jedoch unnötig, so stellt sich auch die Frage warum gewürfelt wird, da das Ergebnis keinerlei Einfluss auf den weiteren Verlauf der Geschichte hat. Auch hier ist der Wurf also überflüssig und dient nur dazu die Spieler zu belügen, bzw. ihnen Eigenständigkeit vorzugaukeln.

Ergo folgt: ein Wurf ist nur dann relevant, wenn die Spieler einen Vorteil oder einen Nachteil zur Geschichte erlangen können, der jedoch nicht den weiteren Fortlauf der Geschichte verhindern kann. So könnten die Spieler eventuell bei einer erfolgreichen Wahrnehmungs-Probe einen Heiltrank finden, aber das Abenteuer lässt sich eben auch ohne den Heiltrank lösen.

Kommen wir nun also zum Erfolg einer Spieleraktion und bewerten diese:

Ich wähle den Klassiker "überklettern einer Mauer". Wer selbst schon geklettert ist (wer nicht?) kann sich da einigermaßen einfühlen. Zunächst - um bei den Eigenerfahrungen zu bleiben - ergibt sich eine Einschätzung der Situation. Kann ich das überhaupt schaffen? Sagt der GM hier "nein" so erübrigt sich der Wurf bereits, sagt er "locker" natürlich auch. Es bleibt also, wie oben bereits beschrieben, nur der schmale Raum eines möglichen Vorteils oder Nachteils, der überhaupt entscheidet, ob an dieser Stelle der Würfel befragt wird oder nicht.
Richten wir also unser Augenmerk auf den potentiellen Ausgang der Situation:

a) ein Scheitern bedeutet ein nicht-Erklettern ohne weitere Konsequenz. damit hat sich - meines Erachtens - die Notwendigkeit des Wurfes bereits erübrigt. Eine erzählerische Lösung - je nach Präferenz durch den GM oder den Spieler ausgeführt - sollte reichen. Dabei ist selbst der Ausgang der Situation, also das eigentliche Ergebnis irrelevant - es klappt oder klappt nicht, je nach bedarf. Kein Wurf.

b) ein Scheitern hat eine mindere Konsequenz, also ein paar Schadenspunkte wegen Schürfwunden etc. Auch hier kann man, wenn man das möchte, den Wurf statt dessen erzählerisch Lösen, wobei es hier eindeutig eine GM-Erzählung sein sollte. Eventuell lieber würfeln lassen, da Schaden für den Charakter immer dann eine höhere Akzeptanz hat, wenn der Spieler selbst dafür verantwortlich war.

c) ein Scheitern hat eine gewaltige Konsequenz, eventuell den Tod des Charakters. In diesem Falle muss natürlich ein Wurf erfolgen, da der GM niemals den Tod einer Figur erzählerisch angehen sollte, da kann er auch gleich ein Buch schreiben. Auf der anderen Seite muss dem Spieler die Konsequenz auch deutlich gemacht werden und auch die etwaige Chance auf Erfolg, den jeder der auch nur auf einen baum in der Kindheit geklettert ist hat eine etwaige Vorstellung vom Risiko, gerade je älter und erfahrener er ist.

So komme ich also zu der Annahme, dass Würfe im Rollenspiel nur dann ausgeführt werden sollten, wenn sie
a) einen Vorteil/Nachteil zur ausstehenden Handlung erzeugen können
b) eine negative/positive Konsequenz für den handelnden Charakter beinhaltet ist

Und nun meine Frage(n): seht ihr das genauso wie ich, oder habt ihr euch darüber noch nie einen Kopp gemacht und würfelt einfach drauf los was das Zeug hält? Wie haltet ihr es mit dem Würfeln? Wann wird bei euch gewürfelt? Noch seltener als bei mir, oder deutlich häufiger? Greift ihr zu Illusionismus, damit die Spieler das Gefühl haben ihre Handlungen(Würfe) entscheiden das Fortbestehen der Geschichte?

Also: wie, wann und warum wird bei euch gewürfelt?

Vielen Dank für eure Antworten.

Stimme der Vernunft. 4E Archoangel - love me or leave me!

Das entscheidende Wort ist hier "Handlung".

Wenn die Handlung vorher feststeht oder zumindest eine grobe Vorstellung davon besteht, wie sie aussehen soll, ergeben diese Erwägungen Sinn.

Ich skizziere mal das andere Extrem:
Wie schwierig es ist, die Mauer zu erklimmen, und welche Konsequenzen das Scheitern (in Form von Knochenbrüchen etc.) hat, hängt nur an Faktoren  wie "Wie hoch?", "Wie beschaffen?", "Welche Hilfsmittel?" - völlig unabhängig davon, ob der Charakter die Mauer zur Bäckerei überwinden will, um ein Vortagsbrötchen zu klauen oder in die Villa des zentralen Bösewichts eindringen möchte.

ich glaube, ich teile deine Grundprämisse einer Handlung überhaupt nicht und die Schlussfolgerung a) und b) erscheinen mir obligatorisch.

Natürlich sollte man nur würfeln, wenn sich danach etwas verändert. Das tut es aber IMMER. Um bei dem Mauerkletterbeispiel zu bleiben: Wenn die einzige Konsequenz ist, dass man nicht hochkommt, so ist dein Punkt b) trotzdem erfüllt. Der Charakter kommt nicht über die Mauer und kann sich nicht frei bewegen. Er muss sich eine andere Route suchen oder ein Hilfsmittel, was die ganze Situation ändert. In deinem Duktus evtl.: Die Handlung ändert sich.

Das ist ja insbesondere dann wichtig, wenn auch der SL keine Vorgabe macht, wie es weitergehen soll (wenn ich leite, habe ich z.B. auch meist einen Wunschausgang, was im Abenteuer vorkommen und passieren soll, weil ich mich darauf vorbereitet habe, dass betrachte ich aber als SL Schwäche).

 

Ich sitze gerade an einem sehr ähnlichen, sehr alten Problem, und das ist die Erfolgschance einer Probe in Relation zur Konsequenz und da beantwortet sich auch deine Frage. Ist die Erfolgschance sehr niedrig und die Konsequenz eher niedrig (z.B. 1 on d6 listen doors), dann neigt man dazu, an JEDER TÜR zu  lauschen, damit man überhaupt einen Effekt hat. Beträgt die Chance auf "Kampf überleben: 10%" werden die Spieler vrmtl. versuchen, NIEMALS darauf zu Proben und gehen jedem Kampf aus dem Weg.

Das ist ein Problem, dass man zu allererst lösen muss und das geht nur in Verbindung mit dem Setting oder Genre (eine anderen Realitätsabgleich gibts ja nicht). In finde bzw. kenne nur RPGs, die diese Frage vollständig willkürlich beantworten. In Mythras / Runequest 6 startet man z.b. mit "kompetenten" Werten von 30% ! Das heisst der SL muss die Konsequenz und Häufigkeit der Proben so anpassen, dass ein normales Rollenspiel überhaupt erst möglich ist. Das ist eine unfaire Aufgabe und das RPG gibt quasi KEINERLEI Hilfestellung, vrmtl. weil die Autoren selber keine Ahnung haben.

Daher denke ich auch, dass rein generische RPGs (oder die, die das von sich behaupten)  - ohne Settingvorgaben - gar nicht funktionieren können.

Es hängen also sehr viele Grundannahmen an deiner Frage, die ich für wesentlich grundlegender, wichtiger halte. Du versuchst, ein Symptom zu behandeln.