Disputorium

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Der Untergang des Rollenspiels

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Ich bin gerade bei Spengler über den Unterschied zwischen "Situationstragödie" (wie bei den alten Griechen) und "Charaktertragödie" (wie bei uns im modernen Westen) gestoßen. Außerdem viel über das Spannungsfeld von Kausalität, Schicksal und Zufall. Ich versteh's so schon nicht richtig, weil mir die philosophische Grundbildung fehlt, aber irgendwie klingt das alles auch Rollenspiel-relevant.

Kausalität, Schicksal und Zufall.

Das waren die Dinge, die durchaus beißend, von Pierce, Elliot, kirilow und mir im ersten Disputorium und weiland auf theRPGsite diskutiert haben. Der ganze Nexus von Kausalität und moralischer Entscheidung liegt dem ganzen Storysoßenkram zugrunde und hat auch in der popkultur Wurzeln geschlagen. Usw usf. Also wenn Du ein paar Juicy passagen aus dem Spengler hast, laß rocken!

Zitat von Pyromancer am 3. Januar 2020, 21:09 Uhr

Ich bin gerade bei Spengler über den Unterschied zwischen "Situationstragödie" (wie bei den alten Griechen) und "Charaktertragödie" (wie bei uns im modernen Westen) gestoßen. Außerdem viel über das Spannungsfeld von Kausalität, Schicksal und Zufall. Ich versteh's so schon nicht richtig, weil mir die philosophische Grundbildung fehlt, aber irgendwie klingt das alles auch Rollenspiel-relevant.

Was ist denn der Unterschied, so weit du es verstanden hast?

Zitat von ErikErikson am 3. Januar 2020, 23:10 Uhr

Was ist denn der Unterschied, so weit du es verstanden hast?

Bei der Situationstragödie wie bei den alten Griechen ist es im Grunde egal, wem sie passiert. So etwas wie Ödipus kann jedem passieren, schreibt Spengler. Und Charakterentwicklung gibt's auch nicht.

Bei der Charaktertragödie liegt die Tragödie, wie schon der Name sagt, im Charakter begründet, und es gibt auch eine Charakterentwicklung. So etwas wie in Goethes Werther funktioniert nur mit einem Werther, da ist die Person nicht austauschbar. Laut Spengler ist das eine Erfindung - oder zumindest ein Erkennungsmerkmal - der modernen westlichen Kultur.

ARS hätte damit auf den ersten Blick erst mal mehr mit der hellenistischen Tradition zu tun als dem modernen Westen.

Macht auf den ersten Blick Sinn.

Die hellenistische Tragödie behandelt allerdings dezidiert existenzielle Themen, die Leute da werden ja mit Absicht in Situationen geworfen, die sie am Ende garantiert fertigmachen, um irgendeinen Konflikt der menschlichen Existenz darzustellen. Das ist klassische Scherz-Vorgehensweise und dem ARS verhasst bis aufs Blut.

Ausserdem sind viele Scherz-Spiele auch nicht wirklich auf individuelle Chars ausgelegt. Siehe Cthulhu, da bist du am Ende tot oder irre, egal wie dein Char drauf ist. Ein klassisches DSA Abenteuer geht auch von einem Standardverhalten der Gruppe aus, das sich eng an unseren heutigen moralischen maßstäben orientiert.

Ich denke, die Idee, dass der individuelle Charakter der Spielfigur einen massiven Einfluss auf das Spiel hat, das ist tendenziell eine Eigenschaft der Forge inspirierten, themenbezogenen Spiele. Die werden ja laut ARS Dogma nicht als Rollenspiele angesehen.

 

 

 

 

um da kurz zwischenzugrätschen: ist der Schöpfungsfunke des RPG nicht dadurch begründet, dass Leute im Kriegsspiel erkannten, dass sie als einzelne "Charaktere" in großen gesichtslosen (Wargaming)Konflikten viel bewegen können?

Ist dann nicht auch im Abenteuerspiel der Fokus darauf, wie bestimmte Spielfiguren in allgemeinen (Abenteuer)Situationen handeln? Das geht ja sogar so weit, dass Spieler- und Charakterwissen verwischt werden (man z.b. keine Skills beproben, sondern gefälligst selbst nachdenken soll).

 

Ich glaube , diese Situation- / Charaktergeschichte gibt nicht so viel her, immerhin hat man im RPG immer mindestens SL und Spieler. Aber ich bin interessiert.

Zitat von BoyScout am 4. Januar 2020, 0:35 Uhr

um da kurz zwischenzugrätschen: ist der Schöpfungsfunke des RPG nicht dadurch begründet, dass Leute im Kriegsspiel erkannten, dass sie als einzelne "Charaktere" in großen gesichtslosen (Wargaming)Konflikten viel bewegen können?

Ist dann nicht auch im Abenteuerspiel der Fokus darauf, wie bestimmte Spielfiguren in allgemeinen (Abenteuer)Situationen handeln? Das geht ja sogar so weit, dass Spieler- und Charakterwissen verwischt werden (man z.b. keine Skills beproben, sondern gefälligst selbst nachdenken soll).

 

Ich glaube , diese Situation- / Charaktergeschichte gibt nicht so viel her, immerhin hat man im RPG immer mindestens SL und Spieler. Aber ich bin interessiert.

Naja, sie haben erkannt das sie keine Einheit kontrollieren wollen, sondern einen einzelnen Soldaten. Ob der einzelne Soldat nun eine Persönlichkeit benötigt, das sei dahingestellt. ich behaupte, man kann ARS auch fast ohne spielen. Wenn eine Entscheidung getroffen werden muss, dann muss die natürlich trotzdem noch nach irgendwelchen gesichtspunkten getroffen werden, diese können aber im ARS durchaus rein spiel-strategisch/taktischer natur sein.

Zitat von ErikErikson am 4. Januar 2020, 9:00 Uhr

Naja, sie haben erkannt das sie keine Einheit kontrollieren wollen, sondern einen einzelnen Soldaten. Ob der einzelne Soldat nun eine Persönlichkeit benötigt, das sei dahingestellt. ich behaupte, man kann ARS auch fast ohne spielen. Wenn eine Entscheidung getroffen werden muss, dann muss die natürlich trotzdem noch nach irgendwelchen gesichtspunkten getroffen werden, diese können aber im ARS durchaus rein spiel-strategisch/taktischer natur sein.

Ich meine damit begeben wir uns jetzt wieder in den Bereich der Schwundformen und schöpfen unnötig Wasser auf die Mühlen der "das ist ja nur ein Brettspiel"-Plärrer.

Womit ich übrigens gar nicht grundlegend widersprechen will, nur die Gefahr einer viel zu schnell gemachten Gleichsetzung von ARS an sich mit dieser Reduktion halte ich für bedenkenswert und die Formulierung so daher für nicht unbedingt hilfreich.

Current thinking of this agency: 10 Ignores
Zitat von blut_und_glas am 4. Januar 2020, 11:00 Uhr
Zitat von ErikErikson am 4. Januar 2020, 9:00 Uhr

Naja, sie haben erkannt das sie keine Einheit kontrollieren wollen, sondern einen einzelnen Soldaten. Ob der einzelne Soldat nun eine Persönlichkeit benötigt, das sei dahingestellt. ich behaupte, man kann ARS auch fast ohne spielen. Wenn eine Entscheidung getroffen werden muss, dann muss die natürlich trotzdem noch nach irgendwelchen gesichtspunkten getroffen werden, diese können aber im ARS durchaus rein spiel-strategisch/taktischer natur sein.

Ich meine damit begeben wir uns jetzt wieder in den Bereich der Schwundformen und schöpfen unnötig Wasser auf die Mühlen der "das ist ja nur ein Brettspiel"-Plärrer.

Womit ich übrigens gar nicht grundlegend widersprechen will, nur die Gefahr einer viel zu schnell gemachten Gleichsetzung von ARS an sich mit dieser Reduktion halte ich für bedenkenswert und die Formulierung so daher für nicht unbedingt hilfreich.

Sehe ich anders. Die Meinung "Rollenspiel ist schlechter als Brettspiel" ist zwar verbreitet, entbehrt aber jeglicher Grundlage. Ist doch schön, wenn ich mal einfach taktisch drauflosspielen kann, ohne mir überlegen zu müssen, ob das die zarte Seele meines Charakters überhaupt verkraftet. Ich finde diese krampfhafte Abgrenzung zum Tabletop wenig hilfreich.

Das mir das in meinem Leben noch einmal widerfahren muss! Als Abgrenzer angeklagt!

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