Disputorium

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Nachricht aus der freien Bevölkerung

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Sehr verehrte Pesadeure,

zunächst einmal möchte ich euch meinen Dank aussprechen. Die Diskussionen und Beiträge in diesem Forum und um es herum sind seit einigen Monaten eine stete Bereicherung meiner alltäglichen Gedankenwelt gewesen. Ich habe das Spielleiten im letzten Jahr – nach über zehn Jahren - wieder aufgenommen und war mir sicher, dass ich vieles ganz anders machen würde als damals; viel offener... dank euch kann ich nun in brauchbarem Vokabular ausdrücken, was ich damit meine. Und da, wo ich das nicht kann, nicht verstehe oder anderer Ansicht bin oder Widersprüche sehe, ist zumindest eine begriffliche Basis für ein Gespräch da.

Ich selbst bin, man ahnt es, dsa-sozialisiert, mit der vierten Edition. Als wir damals als Jugendliche gespielt haben, gabs schon immer wieder seltsame Momente und des öfteren unbestimmte Frustration, aber auch jede Menge Spaß. Eines der Probleme ist mit „Stimmungsspiel“ exakt benannt; rückblickend kann ich klar erkennen, dass ich einerseits frustriert war, weil die rechte Stimmung trotz aller Bemühungen nicht aufkommen wollte, andererseits aber auch, weil viele der Methoden, die eben Stimmung erzeugen sollen – Railroading, Vorlesetexte, seitenweise Ambientebeschreibungen inklusive outgame-Kochvorschlägen - sinnlos, sperrig, ungerecht sind. Damals war es eher diffuses Unbehagen, über das es sich mit dem nächsten Witz oder dem nächsten Kampf hinwegzuhelfen galt. (Die beschriebenen Schwierigkeiten traten auf, egal, wer die Spielleitung übernahm.)

Auch die Detailversessenheit des Regelsystems erwies sich als schwierig, und löste ein ähnliches Frustrationsgefühl aus: Erwartet haben wir detailgetreue Kämpfe und damit viele taktische Möglichkeiten und Raum für kreative Lösungen, aber das kam nur höchst selten raus. Kein Wunder, wenn die Autoren diese Detailtreue so wenig ernst nehmen, dass für einen Endkampf gegen zwei mächtige, jahrtausendealte Drachenwesen einfach keine Werte angegeben werden mit dem Hinweis: „Lassen sie ihrer Fantasie freien Lauf!“ (Wortwörtlich so in Erben des Zorns.) Trotzdem war es über weite Strecken ein Riesenspaß, und die Gruppe zerbrach aus ganz anderen (outgame-)Gründen.

Aber die Faszination für Aventurien habe ich nie verloren, auch in der gänzlich rollenspiellosen Zeit nicht. Ich wollte diese Welt wieder bespielen. Und schließlich ergab sich die Gelegenheit, mit der richtigen Konstellation von Menschen zum richtigen Zeitpunkt.

Diesmal aber wird alles ganz anders. Mir war von vornherein klar, dass ich meiner Spielrunde offenes Agieren erlauben wollte – habe aber zunächst ein klassisches Einsteigerabenteuer geleitet (Über den Greifenpass), weil es Interaktion in einer Stadt, Verfolgungsjagden, Dungeons, Rätsel – eben einmal alles in guter Mischung bietet und auch keine Verrenkungen erfordert, um den Plot voranzubringen, sobald die Spieler einmal den Aufrtrag annehmen. Danach bin ich jedoch zunehmend zum Kampagnenspiel übergegangen, auch wenn ich zunächst nicht wusste, dass es diesen Begriff überhaupt gibt. Jetzt sind wir an dem Punkt, an dem die Spielerinhos versuchen, in Eigeninitiative Verteidigungsmaßnahmen gegen den sich abzeichnenden Orkensturm zu planen und auch umzusetzen. Momentan erkunden sie das Gelände zwischen Svellttal und Mittelreich in der Hoffnung, genug Frühjahrsschmelzwasser so umleiten zu können, dass ein künstlicher Kanal entsteht, der plötzliche Einfälle orkischer Reiterarmeen verhindert. Und einiges an Auseinandersetzungen mit verschiedensten Fraktionen, die in einem solchen Projekt mal einen Vor-, mal einen Nachteil sehen, stehen ihnen auch noch bevor. (Währenddessen entfaltet sich ja auch noch die Answinkrise – die ich ergebnisoffen gestalten möchte. Die Spielerinnen waren da eigentlich ganz dicht dran, haben aber dann a) nicht gewusst, wie sie da eingreifen wollen/könnten und b) die Orkgefahr angesichts innerer Spannungen für umso drängender gehalten. Also laufen da nun Ereignisse im Hintergrund ab.) Ich bin genauso gespannt wie meine Spielenden, wie das wohl ausgeht.

Über einige Umwege landen wir also beim aventurischen Hexcrawl. Und hier muss ich euch nochmal besonders für euren Podcast danken – an dieser Stelle vor allem für die Folgen 1 (DMG) und 10 (Die Wilden Gestade). Da ist mir klar geworden, wie das alles funktionieren kann – und ich habe mich natürlich hemmungslos für die Ausgestaltung bei euch bedient. Nun steht mir die Ausarbeitung einer (wohl eher zahlreicher) Handlungsmaschine(n) bevor – bis jetzt bin ich mit vorher erarbeiteten Agenden der jeweiligen Haupt-NSCs zurechtgekommen, und die Spielerinnen verzeihen mir den „generischen Baron“ recht gnädig, wenn ich ihn aufgrund ihrer Entscheidungen während des Spiels aus dem Hut zaubern muss. Aber das kann ja kein Dauerzustand sein, und wenn erstmal Orkkrieg und Bürgerkrieg beide offen ausgebrochen sind, brauche ich unbedingt eine Methode, die Stärke und Entscheidungen der einzelnen Fraktionen zu modellieren – sonst fliegt mir das um die Ohren. (Den Workshop, den ihr letzte Woche dazu angeboten habt, hab ich leider erst bemerkt, als es schon zu spät war, so wie die ganze OnlineCon – es ist zum Haareraufen.) Es ist eine wunderbare Reise, anstrengend, aber jeder neue Schritt bringt immense Befriedigung mit sich – und das Feedback der Spieler sagt mir, dass es sich lohnt.

Fazit: Ich weiß nicht, ob man DSA pesa-konform spielen kann; aber man kann es auf jeden Fall ganz anders spielen.

Und noch einmal: Danke, danke, danke.

Da werden sich die Zockböcke aber freuen! Mir wurde auch beim Lesen ganz warm ums Herz. Besten Dank für die Rückmeldung!

* Orangener Gurt im PJJ * Grüner Gürtel im Drama-Fu (Drachen-Stil) * Brauner Gürtel im Pyro-Fu * Night's Master im Ghoulu Jitsu * Gelber Gürtel im Tanelorn *

Hallo, das erwärmt Seele und Geist!

Zur Modellierung: am besten ist es, native Element so weit möglich zu nutzen. Heißt: Anzahl Ritter, Einwohnerzahl, Dukatenschatz. In Aventurien sind Gestufte NSCs ja nicht sooo die strategische Machtquelle, auch Monster nicht. Das heißt ausghehend vom agrarischen kann man schon sehr viel da machen.

Durch magische Ressourcen wird das dann eben modifiziert. Sobald Du ein kräfteverhältnis hast, dann ist es ja relative einfach, irgendeien interaktionsstruktur drüberzupacken, die Dir als SL dann da weiterhilft. Mußt ja aben kein Brettspiel entwerfen, sondern das für Dich nachhalten.

 

Aventurien ist da eine Katastrophe, weil man z. B. gerade in Weiden keinen Kiesel schmeißen kann, ohne einen Ritterorden zu treffen, der keinerlei wirtschaftliche Grundlage hat. Will sagen: Ein Land voller Ritter, die nichtmal ein kleines Stück Land ihr Lehen nennen.

Aber, Theophrastos, ich hab auch neulich eine DSA-Runde in Weiden gestartet, mit den 5er Regeln, weil ich wieder so Bock auf Aventurien hatte. Obwohl ich damals fast nur in Regelwerken gelesen hatte, statt damit zu spielen. Meine Prämisse in der aktuellen Runde ist: Mein Aventurien, mein Metaplot, unbedingte Ergebnisoffenheit für die Spieler.

Jedenfalls hab ich als erstes angefangen, die Weidener Örtlichkeiten in eine Struktur zu bringen und zumindest für die bespielte Region (Brachfelde) detailliert zu erfassen, so dass ich weiß, wer in welchem Ort herrscht, wie viele Leute da leben und wie die wirtschaftliche Situation aussieht. Alleine hier an die Grunddaten zu kommen ist eine echte Detektivarbeit, und ich hatte Glück, auf ein Briefspiel-PDF zu stoßen, wo einiges zu meiner Start-Baronie ausgearbeitet ist.

Mir geht es so, dass ich nun, wo ich einen guten Teil der Grundlagen ausgearbeitet habe, ich sehr flüssig leiten kann, weil mir die Verstrickungen der Fraktionen im Land und ihre Motivationen klar sind. Es gibt unter der Oberfläche der romantischen Regionalbeschreibungen viele widerstrebende Interessen, die ich natürlich entsprechend nutzen und verstärken kann.

Und das, muss ich sagen, hab ich am besten von Traveller gelernt. Dort wird aus meiner Sicht noch mehr auf das Meister-Spiel eingegangen als in den D&D-Werken, wobei die DMGs von AD&D und 3e auch eine saustarke Grundlage bilden, die mich bei der vergleichenden Lektüre von DSA-Werken leise schluchzen lässt.

Wie dem auch sei: Fundierter Weltenbau mit -modellierung, Kalender, Kartenmaterial und Ergebnisoffenheit sorgen quasi zwangsweise zu guten Kampagnen.

2013 hatte ich hierzu folgenden Text geschrieben: https://der-eisenhofer.de/2013/kampagne-spielleiter-rollenspiel

@Benjamin: Wow, dein Blog ist eine wahre Fundgrube! Ideen, Ideen, Ideen... Deine Tabelle zu Weidener Baronien ist auch schonmal ein guter Ausgangspunkt. Ich erwarte auch, dass es gerade Spaß machen wird, den ach-so-edlen Weidener Rittersleut mal realistische Motivationen und Handlungsbeschränkungen zu verpassen. Dass ich mich mit den Mechaniken von Traveller befassen muss, ist auch noch mal deutlich geworden.

@Settembrini: Ja, Grunddaten sammeln oder erstellen ist der erste Schritt. Ich habe allerdings noch keine Vorstellung, wie ich Handlungen der Fraktionen quantifizieren kann. Bisher sind mir nur threshholds eingefallen: Wenn Akteur A von Ressource b nur noch Menge x verfügbar hat, entscheidet er sich für eine bestimmte Handlung. Ressourcen können hierbei schlichte Getreidevorräte oder auch Loyalität/Protektion anderer Fraktionen sein. Das wird aber unübersehbar ausufernd. Gibt es irgendwo ein gutes, anschauliches Beispiel für die Konstruktion einer Handlungsmaschine? Ich habe die "Sound Advice" gelesen, aber für mich blieb die Methode, mit der ich innerweltlichen Fakten Zahlen zuweise, nebulös. Aber ich werd mir das nochmal vornehmen.

Die Monster und Super-NSCs werden in Aventurien später durchaus noch relevant; aber das ist Zukunftsmusik.

Mit welchem System bespielst du denn Aventurien?

Ich verwende ja seit Jahrzehnten nur noch DSA 1.5 (eigene Version) oder BECMI-D&D mit Hausregeln; damit ergeben sich viele Probleme gar nicht erst.

Bei bedarf schicke ich dir gerne die DSA-BECMI-Variante.

Stimme der Vernunft. 4E Archoangel - love me or leave me!

Hehe, ich dachte schon, um die Frage komm ich drumrum. Na, 4.1. Mit bei weitem nicht allen Regelelementen, aber vor allem ist ein großer Teil davon für uns schlicht nicht relevant, weil niemand in der Runde in diese Richtung gehen will. Artefakterstellung z. B. Überhaupt 90% aller magischen Spezialgebiete. Reiterkampf . Was weiß ich. Wenn jemand in den Regeln irgendetwas entdeckt und es nutzen möchte, gucken wir uns die Regel an. Oft kann ichs einfach übernehmen, manchmal modifizieren wirs gemeinsam.

Ich muss auch (hoffentlich) erklärend hinzufügen, dass alle Spieler viel Spaß an taktischen Überlegungen haben, und entsprechend an ihre Figuren herangehen und Charakterbau betreiben - durchaus auch mit Handwerks-, Wissens- und Gesellschaftstalenten. Strategisches Barbie-Spiel?

Aber die BECMI-Adaption würde mich auf jeden Fall interessieren. Das wäre für mich vielleicht mal ein Anlass, mir auch mal D&D aus Spielersicht anzuschauen. Bisher habe ich mir nur spielleiterrelevantes Material angesehen, den DMG natürlich, einige Settingbände. Btw: Die im Dsa-Podcast vielgerühmten umfassenden Beschreibungen von Büchern in der Magiebox gab es auch schon in einem Forgotten Realms-Settingband von.. 1987, glaube ich.

Zitat von Theophrastos am 27. Juli 2021, 13:29 Uhr

Hehe, ich dachte schon, um die Frage komm ich drumrum. Na, 4.1. Mit bei weitem nicht allen Regelelementen, aber vor allem ist ein großer Teil davon für uns schlicht nicht relevant, weil niemand in der Runde in diese Richtung gehen will. Artefakterstellung z. B. Überhaupt 90% aller magischen Spezialgebiete. Reiterkampf . Was weiß ich. Wenn jemand in den Regeln irgendetwas entdeckt und es nutzen möchte, gucken wir uns die Regel an. Oft kann ichs einfach übernehmen, manchmal modifizieren wirs gemeinsam.

Ich muss auch (hoffentlich) erklärend hinzufügen, dass alle Spieler viel Spaß an taktischen Überlegungen haben, und entsprechend an ihre Figuren herangehen und Charakterbau betreiben - durchaus auch mit Handwerks-, Wissens- und Gesellschaftstalenten. Strategisches Barbie-Spiel?

Aber die BECMI-Adaption würde mich auf jeden Fall interessieren. Das wäre für mich vielleicht mal ein Anlass, mir auch mal D&D aus Spielersicht anzuschauen. Bisher habe ich mir nur spielleiterrelevantes Material angesehen, den DMG natürlich, einige Settingbände. Btw: Die im Dsa-Podcast vielgerühmten umfassenden Beschreibungen von Büchern in der Magiebox gab es auch schon in einem Forgotten Realms-Settingband von.. 1987, glaube ich.

Edit: "DMs Sourcebook of the Realms", 1987. 30 Seiten Buchbeschreibungen.

Ach herrje, so war das nicht gedacht. Verzeihung

n Büchern in der Magiebox gab es auch schon in einem Forgotten Realms-Settingband von.. 1987, glaube ich.

In "The Magister" gibt es da noch viel mehr, hatte ich glaube ich später mal erwähnt.

Zitat von Theophrastos am 23. Juli 2021, 0:55 Uhr

Ich erwarte auch, dass es gerade Spaß machen wird, den ach-so-edlen Weidener Rittersleut mal realistische Motivationen und Handlungsbeschränkungen zu verpassen.

Mir ging das so: Ich hab grob die Hierarchie aufgezeichnet und kann nun sehen, wer mit wem verwandt ist und wer über wie viele Vassallen verfügt, außerdem die Bevölkerung. Ich hab noch nicht für alle Siedlungen die Wertschöpfung, aber ich kann jetzt schon ein grobes Kräfteverhältnis ableiten. Dann kann ich das, was oberflächlich zu den Herrschenden beschrieben ist nehmen und schauen, ob sich daraus zusammen mit dem Kräfteverhältnis Rivalitäten oder Bündnisse plausibel herleiten lassen. Auch wenn in Weiden eine Familie weitgehend den Ton angibt, müssen die sich nicht immer grün sein. Und dann hast Du so Emporkömmlinge wie die Gräfin Griseldis von Pallingen dazwischen, ohohoho!

tldr: Mit Daten ist alles besser.

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