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Was dich zu einem besseren Menschen macht?

Deine verlogene Selbstverherrlichung darfst du gerne behalten. Faschist.

Stimme der Vernunft. 4E Archoangel - love me or leave me!

So, Feierabend. Ich verabschiede mich für heute aus dem Home Office, vielen Dank für den kulturellen Austausch (auch mit den beiden Schlechtmenschen) und bis dann.

 

edit:
Noch ein Video zum verdeutlichen, warum es für mich ein Unterschied ist ob über Menschengruppen wie Roma hergezogen wird, oder über die Kirche im Allgemeinen, tschö:

https://www.youtube.com/watch?v=xSAZKde3pi8

Aus deinem Munde also ein Schlechtmensch. DAS ist ein Ritterschlag; dann scheine ich ja alles richtig gemacht zu haben. Schönen Abend noch.

Stimme der Vernunft. 4E Archoangel - love me or leave me!
Zitat von Koruun am 9. März 2021, 15:47 Uhr

Ich habe nichts dagegen, wenn sich Almans für Sinti und Roma oder jeden sonst einsetzen. Ich glaube auch nicht, dass ich irgendwo diesen Eindruck vermittelt habe oder etwas derartiges geäußert hätte. Ich schätze allerdings die Relevanz eines Einsatzes für das nicht real existierende Volks der Vistani, die also weder Sinti noch Roma sind, sondern lediglich für das Vorstellungsbild der Leser/Spieler mit einem Märchenklischee beschrieben werden, was u.a. (in der deutschen Ausgabe offenbar an sechs Stellen) durch die Bezeichnung Z.... erfolgt, als weniger relevant ein. Der Kampf für die Vistani macht die Welt um ein schönes Rollenspielprodukt ärmer, ohne sie irgendwie fühlbar zu verbessern.

Vistani sind nicht Sinti. Vistani sind nicht Roma. Es gibt sie nicht. Ebensowenig wie die Feen, die im Margreve leben, real existieren.

Vistani nicht, aber wenn Sie auch mit dem Z-Wort benannt werden, dann ist ja automatisch der Bezug zu echten Menschen da. Bei mir jedenfalls, und ich denke bei dem Großteil der Leser ebenso.

Nochmal: ich würde Ulisses auch keinen Strick draus machen dass es anfänglich so übersetzt wurde, das Wort war lange Zeit im Bewusstsein "des Mainstream" unproblematisch.
Ich empfinde es aber als begrüßenswerter, wenn Sie die nun Texte anpassen. Nicht mehr und nicht weniger.

Das verstehe ich durchaus. Ich bin kein Freund davon, wenn Verlage die Texte eines Autors eigenmächtig verändern. Ich bevorzuge es, dem Leser eine eigene Wertung zu erlauben.

Selbst wenn man das Wort austauscht wäre der Bezug zu den überkommenen romanitisierenden oder negativen Klischees von Z...tum in Literatur, Märchen etc. selbst dann erkennbar, wenn man das Z.-Wort kein einziges mal in dem Buch verwendet hätte.

Diesen Bezug hast Du immer schon, wenn Du ein nicht sesshaftes Volk mit hölzernen Wohnwagen-Einspännern etablierst, welches sein Geld gerne als Musikanten und Gaukler verdient. Jeder weiß doch, woher dieses Motiv kommt. Deshalb auch oben mein beispielhafter Hinweis auf die Edema Ruh, wobei in den Königsmörderchroniken meiner Erinnerung nach kein einziges Mal das Z.-Wort auftaucht.

Wenn man sich traut, einer solchen fiktiven Volksgruppe - und sei es auch nur in einem verwunschenem Wald - negative Eigenschaften zuzusprechen (ob sie sie tatsächlich auch alle haben steht auf einem anderen Blatt), dann bekommst Du heute nun einmal eine solche Debatte über Antiziganismus.

Das alleine würde mich noch nicht einmal stören. Mich stört, dass diejenigen, die es stört nicht einfach eine negative Kaufentscheidung treffen, sondern dass das Buch aus den Regalen verschwindet. Und selbst dann ist es noch nicht genug.

Deine Vorstellung, dass die Texte angepasst werden, erscheint mir eher optimistisch. Ich glaube nicht daran. Einerseits ist unsicher, ob der Urheber der Veränderung seines Werkes zustimmt bzw. Kobold Press im Rahmen der Lizenvergabe inhaltlichen Anpassungen ihre Zustimmung erteilt. Zudem muss Ulisses damit rechnen, dass die Diskussion weiter geht, solange es die Vistani in dem Buch gibt, weil der Bezug im Kopf immer hergestellt werden kann. Schließlich kann Ulisses mit dem Buch vermutlich ohnehin nichts mehr verdienen, nachdem sie die erste gedruckte Charge vollständig in die Tonne gekloppt haben. Ich fürchte, das ist darüber hinaus möglicherweise auch das Ende für eine Chance auf weitere Mythgard/Midgard-Bücher.

Der eine kann sich über seinen persönlichen PC-Erfolg freuen. Der andere sieht betrübt eine fortschreitende Verödung der Rollenspiellandschaft durch einen übergewichtigen Konformismus entgegen.

Tassander legt oben mit seinen drei Fragen schon den Finger in die Wunde. Nur stellt es sich nicht ganz so einfach schwarz-weiß dar. Die Antwort setzt eine Wertung voraus, die ich dann auch konkret begründen möchte. Weil ich die deutsche Ausgabe nur als Print habe, gleiche ich die noch mal mit der englischen pdf ab, damit ich nichts übersehe. Dann komme ich nochmal darauf zurück. Das kann ein paar Tage dauern.

Archoangel sagt oben: "Worte sind nicht böse; Menschen sind böse." Das ist etwas plakativ, enthält m.E. aber eine wahren Kern. Ich glaube nicht, dass ein Rassist seine Haltung gegenüber POCs ändern wird, wenn er das N-Wort nicht mehr sagen darf (als würde ihn das scheren!). Das N-Wort und das Z-Wort sind nicht selbstverständlich negativ besetzt und sie waren es auch früher nicht; Beispiele habe ich bereits zu beiden gegeben. Es ist doch kein Antiziganismus, wenn Esmeralda im Glöckner von Notre Dame als Z.... bezeichnet wird; der Böse bleibt der im Ruf eines Hexenmeisters stehende Domprobst. Müssen wir das Werk von Victor Hugo dann auch bald umschreiben, wie es für Pipi Langstrumpf und Jim Knopf gefordert wird? Dem Z-Wort haftet nicht zwingend etwas negatives an. Es kann ebenso für Freiheit, Ungebundenheit, Reisen, Musik usw. stehen. Entscheidend ist für mich, ob man es als Abwertung gegenüber realexistierenden Personen verwendet. Unabhängig davon die Verwendung des Wortes ansich bereits zu brandmarken, erscheint mir völlig sinnbefreit. Aber man wird sich wohl fügen müssen.

All dead! All dead!

Will man den Begriff "Zigeuner" wirklich nicht mehr verwenden, so ist das Verwenden von "Z-Wort" oder "Z..." so ziemlich das BEKLOPPTESTE, was man machen kann.

Wer Z-Wort liest, der ERGÄNZT ganz automatisch dieses zu Zigeuner.

Die Beiträge oben, in denen oft von Z-Wort und Z... oder dergleichen Gebrauch gemacht werden, werden doch nicht mit einem "unbestimmten Z-Wort" gelesen, sondern wirklich von jedem Leser zum eigentlichen Begriff Zigeuner ergänzt.

Ich finde die [A-Z]-Wort-Verwendung eine üble HEUCHELEI.

Man KANN sehr wohl umstrittene, diskriminierende oder sonst irgendwie anstößige Begriffe in seinen Texten verwenden. Es kommt auf den KONTEXT und die INTENTION an.

Wenn man also sagt, daß aufgrund der Zigeunerverfolgung im Dritten Reich der Begriff Zigeuner nicht mehr in Rollenspielprodukten zur Unterhaltung verwendet werden sollte, dann ist das ein guter Grund als Autor tatsächlich mal darüber nachzudenken, was und warum man das denn nun macht.

Man kann ÜBER den Begriff reden, aber dazu muß man den Begriff auch NENNEN können. Ein obskures Z-Wort oder dergleichen ist nicht nur nicht hilfreich, sondern es stellt einfach nichts anderes als denselben Begriff dar. Er wird sofort und automatisch ersetzt beim Versuch den Satz, in dem er auftaucht, zu lesen, denn ein Z-Wort gibt es nicht und hat im Deutschen auch keinen Sinn.

Das wird noch seltsamer beim N-Wort, denn was genau ist denn das N-Wort? Ich hatte es so verstanden, daß mit N-Wort das abwertende "Nigger" der Amis gemeint ist. Aber manche benutzen es auch für "Neger", was aber anders als "Nigger" nicht als Schimpfwort benutzt wurde. Bei Neger hat sich erst in jüngerer Zeit eine Auslegung als herabsetzender Begriff für Schwarze eingestellt. Das war aber eben  nicht immer so - und auch und gerade nicht bei den tatsächlichen Angehörigen der entsprechenden Gruppe.

Jetzt werden also allerlei unsagbare Worte TROTZDEM GESCHRIEBEN, und zwar in Abkürzung.

Das ist doch das GEGENTEIL davon, sie gar nicht mehr zu verwenden.

Das ist eine Verwendung in Kurzschreibweise, die sogar "doppelplusgut" ist, denn man signalisiert, wie toll modern und progressiv und empathisch man doch ist, und gleichzeitig benutzt man den alten Begriff einfach weiter und weiß, daß ihn jeder auch als den alten Begriff verstehen wird.

Das ist es, was ich  als HEUCHELEI empfinde.

Wenn ich über Begriffe, die politisch belastet sind, sprechen möchte, dann muß ich diesen Gegenstand der Diskussion und der Probleme auch NENNEN können - beim Namen.

Es ist immer die Frage, wie der Begriff tatsächlich BENUTZT wird.

Sage ich jemandem "Du mieser [A-Z]-Wort", dann ist das eine Beleidigung und die Intention ist keinesfalls neutral.

Sage ich aber "Ich finde in einem Kontext der Phantastik die Verwendung von [A-Z]-Wort grundsätzlich akzeptabel, da eben Phantastik Klischees - und zwar nicht nur negativ belegte, sondern auch positive, romantische - verwendet.", dann ist die Intention der Wortverwendung neutral.

Einen sachlichen Diskurs über als Problem wahrgenommene Begriffe muß man sachlich unter Benennung der Problemgegenstände führen können, ohne zum Heuchler zu werden. Die [A-Z]-Wort-Schreibweise halte ich für Heuchelei.

Ich stimme Dir zu, Zornhau. Ich habe mir das nicht ausgedacht. Wenn es aber Gemüter beruhigt und eine sachliche Diskussion ermöglicht oder erleichtert, soll‘s mir letztendlich Recht sein. Mir geht es ja nicht darum, die Worte möglichst oft auszuschreiben. Ob man dadurch zum Heuchler wird, dass man anderen ein stückweit entgegenkommt, weiss ich nicht. Für mich macht es keinen Unterschied, aber ich halte die Worte ja auch nicht kontextunabhängig für negativ konnotiert. Mich würde es erstaunen, wenn man meinen Beiträgen die Erwartung entnehmen würde als „toll modern und progressiv“ wahrgenommen zu werden. Mir reicht es schon, nicht vorschnell ins Rechte Lager gestellt zu werden. Wenn ich das so erreiche, kann ich die Verwendung der (zugegeben eher sinnfreien) Abkürzungen gut vertreten. Vielleicht erhält man so auch weniger unerwünschte Aufmerksamkeit über Suchmaschinen.

All dead! All dead!

Argh.

Guten Morgen,
Zitat von Elegod am 9. März 2021, 19:28 Uhr

Das verstehe ich durchaus. Ich bin kein Freund davon, wenn Verlage die Texte eines Autors eigenmächtig verändern. Ich bevorzuge es, dem Leser eine eigene Wertung zu erlauben.

Selbst wenn man das Wort austauscht wäre der Bezug zu den überkommenen romanitisierenden oder negativen Klischees von Z...tum in Literatur, Märchen etc. selbst dann erkennbar, wenn man das Z.-Wort kein einziges mal in dem Buch verwendet hätte.

Diesen Bezug hast Du immer schon, wenn Du ein nicht sesshaftes Volk mit hölzernen Wohnwagen-Einspännern etablierst, welches sein Geld gerne als Musikanten und Gaukler verdient. Jeder weiß doch, woher dieses Motiv kommt. Deshalb auch oben mein beispielhafter Hinweis auf die Edema Ruh, wobei in den Königsmörderchroniken meiner Erinnerung nach kein einziges Mal das Z.-Wort auftaucht.

Wenn das Wort ersetzt wird, ist ja das erreicht was ich weiter oben schrieb:
Es wird der Bitte von Roma/Sinti nachgekommen, dieses Wort nicht mehr als Bezeichnung für sie zu verwenden. Auf Fantastik übertragen: es im Zusammenhang mit "fahrendes Volk"-Klischees zu verwenden.

Dass es fahrendes Volk in einer Spielwelt geben kann, ist ja ein anderes Thema. Und zwar ein wie ich denke unverkrampfteres.

 

Oder wie DerDunkleGarten es besser beschrieb:

“Das Z-wort muss man dafür nicht benutzen. Es gibt viele Möglichkeiten das gerade im Fantasie-Bereich zu umgehen. Der einfachste Vorschlag: Schausteller oder Fahrende. Oftmals passt im Kontext auch eher Kesselflicker. Es gibt keinen Grund für eine Übersetzung diskriminierende Sprache zu reproduzieren. Auch gypsie ist eine negativ besetzte Fremdbezeichnung, die positive wie negative Vorurteile transportiert. Sprache schafft Bilder und sobald sie andere unterdrückt oder ausschließt, sollte man über sie nachdenken.” @DerDunkleGarten, deutscher Sinto

 

Archoangel sagt oben: "Worte sind nicht böse; Menschen sind böse." Das ist etwas plakativ, enthält m.E. aber eine wahren Kern. Ich glaube nicht, dass ein Rassist seine Haltung gegenüber POCs ändern wird, wenn er das N-Wort nicht mehr sagen darf (als würde ihn das scheren!). Das N-Wort und das Z-Wort sind nicht selbstverständlich negativ besetzt und sie waren es auch früher nicht; Beispiele habe ich bereits zu beiden gegeben. Es ist doch kein Antiziganismus, wenn Esmeralda im Glöckner von Notre Dame als Z.... bezeichnet wird; der Böse bleibt der im Ruf eines Hexenmeisters stehende Domprobst. Müssen wir das Werk von Victor Hugo dann auch bald umschreiben, wie es für Pipi Langstrumpf und Jim Knopf gefordert wird? Dem Z-Wort haftet nicht zwingend etwas negatives an. Es kann ebenso für Freiheit, Ungebundenheit, Reisen, Musik usw. stehen. Entscheidend ist für mich, ob man es als Abwertung gegenüber realexistierenden Personen verwendet. Unabhängig davon die Verwendung des Wortes ansich bereits zu brandmarken, erscheint mir völlig sinnbefreit. Aber man wird sich wohl fügen müssen.

Die Motivation ist nicht der Glaube, Rassisten durch das verächtlich machen bestimmter Worte zu überzeugen, sondern dass diese Worte, dadurch dass sie aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verschwinden, nicht mehr unbewusst Menschen herabwürdigen.

Hier sind wir wieder an dem gleichen Punkt wie auch schon beim anderen racial slurs. Die Absicht, mit der das Wort verwendet wird ist mMn nicht wichtiger als die Tatsache, dass sie diskriminierend aufgenommen werden. Dass vereinzelt Menschen dieses Wort aus einer nostalgischen, romantischen Verklärung sogar positiv sehen können, will ich gar nicht ausschließen. Da sie sich in anderen Lebensbereichen damit jedoch nicht auseinandersetzen müssen sondern mit dem Zuklappen des Buches das Thema für sie verschwindet, spielt dieses Empfinden ggü. Leuten die mit diesem Wort in einem diskriminierenden Kontext leben, eine untergeordnete Rolle.

 

@Zornhau:

Ja natürlich ist die Verwendung von "XYZ-Wort" keine Lösung. Wenn gerade aber konkret über die Verwendung dieses Wortes gesprochen wird, wird es keine Möglichkeit geben das zu tun ohne dass an dieses Wort gedacht wird. Liegt irgendwo in der Natur der Sache. Langfristig sollten solche Krücken auch nicht nötig sein.

Zitat von Elegod am 9. März 2021, 19:28 Uhr

Das verstehe ich durchaus. Ich bin kein Freund davon, wenn Verlage die Texte eines Autors eigenmächtig verändern. Ich bevorzuge es, dem Leser eine eigene Wertung zu erlauben.

Selbst wenn man das Wort austauscht wäre der Bezug zu den überkommenen romanitisierenden oder negativen Klischees von Z...tum in Literatur, Märchen etc. selbst dann erkennbar, wenn man das Z.-Wort kein einziges mal in dem Buch verwendet hätte.

Diesen Bezug hast Du immer schon, wenn Du ein nicht sesshaftes Volk mit hölzernen Wohnwagen-Einspännern etablierst, welches sein Geld gerne als Musikanten und Gaukler verdient. Jeder weiß doch, woher dieses Motiv kommt. Deshalb auch oben mein beispielhafter Hinweis auf die Edema Ruh, wobei in den Königsmörderchroniken meiner Erinnerung nach kein einziges Mal das Z.-Wort auftaucht.

Wenn man sich traut, einer solchen fiktiven Volksgruppe - und sei es auch nur in einem verwunschenem Wald - negative Eigenschaften zuzusprechen (ob sie sie tatsächlich auch alle haben steht auf einem anderen Blatt), dann bekommst Du heute nun einmal eine solche Debatte über Antiziganismus.

Und genau das hat dieser Unsinn eben mit der satanic panic, der "Killerspiele"-Debatte und all' den anderen moralischen Aufregereien gemein: Der Rezipient bzw. Spieler wird als reflexionsunfähiges Wesen betrachtet, das zwischen Realität und oft krass überzeichneter Fiktion nicht unterscheiden kann.

"Wer Vistani mit evil eye ausstattet, der hält auch reale Roma und Sinti für bedrohlich" ist von der Denkfigur her nichts anderes als "wer bei GTA die Cops überfährt, will auch reale Polizisten ermorden". Meine Diagnose: Die eigene Unfähigkeit, Fiktion vernünftig von Realität zu scheiden und vielfältige Formen von Ironie, Überzeichnung, Verfremdung zu erkennen, kurz die eigene Fantasielosigkeit, wird auf andere projiziert.

Für die daraus resultierende These der Schädlichkeit in dem Sinne, dass durch die rezipierten fiktiven Inhalte Einstellungen zur Realität ausgebildet oder verhärtet werden, fehlen grundsätzlich die Belege bzw. werden regelmäßig sogar Gegenbelege ignoriert; das oben skizzierte mindset genügt sich selbst als Beleg. Vernünftigerweise muss man diese These der Schädlichkeit also verwerfen.

(Das halte ich im Übrigen für gefährlicher als die Einstampfung einzelner skandalisierter Werke oder das Erwirken von Warnhinweisen, die für meine Aussage im ersten Absatz den denkbar besten Beleg liefern, auf alten D&D-Büchern. Ein Hobby, das von Fantasie lebt, kann nicht bestehen, wenn man es dem Urteil der Fantasielosen ausliefert.)

Damit ist aber nur die "starke", ursächliche Schädlichkeit bestritten. Es kann aber noch eine Schädlichkeit durch Abwesenheit aktiver Schadensbehebung bestehen. Also: Rollenspielbücher erzeugen keine Vorurteile gegen z.B. Roma und Sinti, aber sie tun durch unreflektierte Übernahme von Klischees eben auch nicht das, was sie tun könnten und sollten, um diese Vorurteile aufzubrechen. Ich habe derartiges selber öfter kritisiert, besonders allerdings, wenn es ein intellektuelles und nicht nur moralisches Ärgernis darstellt, was es regelmäßig tut; vulgo wenn Falschinformationen über kulturelle oder historische Themen verbreitet werden.

Das Gegenmittel hier wäre, wenn man generell in diese Richtung möchte, realweltliche Gruppen und Kulturen nicht anhand von Klischees, sondern sorgfältig, multiperspektivisch und umfassend beschrieben behutsam in den Kontext einer fiktiven Welt einzubetten. Das grundlegende Problem dabei: Dies erfordert eine Menge Recherchearbeit und nimmt im Werk viel Platz ein. Der Rückgriff auf Klischees ist einfacher und verlangt dem Rezipienten weniger ab.

Aber das wäre an sich ja nur eine Schwierigkeit, kein Hindernis. Es gibt jedoch ein neues Problem: Selbst mit der Recherchearbeit ist man nicht davor gefeit, einem Sturm der Entrüstung zum Opfer zu fallen, weil man nicht selbst - vermeintlich - der beschriebenen Gruppe angehört. Der dadurch geschaffene Anreiz führt dazu, entweder wiederum auf die schnelle Klischeemethode zurückzufallen, weil dann die durch mögliche Skandale vernichtete emotionale und zeitliche Investition geringer ist; oder aber die Darstellung realer oder durch reale Vorbilder inspirierter Gruppen im Spiel gleich bleiben zu lassen.

Perverserweise sabotiert eine gesellschaftliche Bewegung, die wie in dem Zornhau angeführten Beispiel der Gorman-Übersetzung handelt, ihre eigene  vermeintliche Kernforderung nach Repräsentation. Ein fiktives Beispiel: Ein deutschsprachiges Rollenspiel soll erscheinen, in dem zentral eine stark an die Inuit angelehnte, sorgfältig recherchierte und ausgearbeitete Kultur Thema sein soll. Wenn man die Forderung nach "Don't dip your pen in someone else's blood" ernstnimmt (den bedenklichen Biologismus mal außen vor), wird es so etwas nicht geben. Die folgerichtige Konsequenz ist, jedes Interesse an "anderen" Kulturen grundsätzlich nur noch als passiver Konsument ausleben zu dürfen und das wird nur zu einem führen, nämlich zum Verschwinden des Interesses.

Das nur zu den Folgen. Das die skizzierte Haltung völlig irrational ist, was man gedanklich leicht nachvollziehen kann, wenn man sich fragt, ob die in dem Spiel auch vorkommenende Wikinger-ähnliche Kultur mit ähnlichen Argusaugen auf korrekte Autorschaft geprüft würde, ist ein anderes.

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