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Spielleiten für Geld - Mercerisierung des Rollenspiels?

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In der MeWe Gruppe Rollenspieler (deutschsprachig) - deren Beiträge ich nicht verlinken kann! - kam über den Eskapodcast (siehe Link) mal WIEDER die Diskussion über bezahlte Spielleiter auf.

Folge 143 – „Ich verdiene als Spielleiter viel Geld“ (Interview)

Für mich wäre das ja keine Alternative zum Rollenspielen, jemanden zu engagieren, der mir Rollenspiel vorspielt (siehe Blogbeitrag unten). Ich will auch niemanden bezahlen, der mit mir Brettspiele spielen muss.

Ich weiß nicht genau, was es ist an dem Thema RPG Kommerz, dass mich immer so triggert, wo ich doch auch Geld für's Kino, Theater oder Zirkus ausgebe. Ich unterscheide immer noch zwischen lebensnotwendigen Tätigkeiten (sauber machen, Gebäudestatiken rechnen..) und Zeitvertreib (Musizieren, Rollenspielen,..). Beim Handwerk beginnt dann alles zu verschwimmen. Auch "Aufwandsentschädigungen" z.B. auf Cons sind angemessen, das ist ja nur eine Art Danke.

Beim RPG kann ich halt mitreden und da empfinde ich es vrmtl. irgendwie als beleidigend, wenn da viele Leute vollkommen gratis großartige Spiele und Kampagnen erschaffen - weil es ja gar nicht notwendig ist - und dann kommt da einer und sagt, er will aber Geld dafür sehen, als hätte er es irgendwie mehr verdient, als alle anderen. Am Ende kommt dann ein anderer und haut ein richtig geiles RPG vollkommen gratis in die Community, passiert ja jeden Tag. Wie soll ich das denn verrechnen, wieviel "Gegenwert" hat denn jetzt der Bezahlte?

Das funktioniert doch alles nicht. Also nee, du kannst gerne mitspielen, aber du bekommst genausoviel, wie alle anderen Mitspieler.

Seht ihr das auch so überkritisch?

 

p.S.: Blogbeitrag http://hochistgut.blogspot.com/2015/04/gedanken-zu-einen-profi-als-sl.html?m=0

Hmmh.

Ich stehe dem nicht völlig ablehnend gegenüber. Allerdings steigen dann auch Standards, die ich haben wollen würde.

Vergleich: Von einem Hobby- oder Straßenmusiker erwarte ich nicht das gleiche Maß an Perfektion, Talent, Hingabe und Show wie für eine Band, ein Orchester oder einen Solokünstler, für den ich richtig viel Geld hingelegt habe.

Deswegen bin ich bei ersteren auch oft begeistert, wenn sie besser als der Rahmen sind.

Ich stehe dem nur gefühlt ablehnend gegenüber, aber logische Gründe zu finden, ist schwierig. Meine Intuition sagt mir einfach, dass es falsch ist.

@Straßenmusiker: d.h. du bist begeisterter, weil du keine Erwartungen hattest, du ihn also quasi abgewertet - oder nicht aufgewertet - hattest, nur weil er kein Geld nimmt? Wärst du genauso begeistert, wenn Musiker nie Geld bekämen?

Sobald ich jemanden bezahle, kann ich was verlangen, das kann ich noch nachvollziehen, von der Schiene kommen ja die SL-Dienstleister argumentativ. Aber sobald Geld im Spiel ist, dann automatisch von allen, die es gratis geben, weniger Erwartungen als den Standard? Weiß du, was ich meine? Die Wertung geht ja in beide Richtungen.

Ich weiß, dass viele so eine Straßenmusiker-Situation wohl positiv drehen (die Freude, weil man "positiv" überrascht wurde, obwohl man nichts geben musste und auch dachte, es wird schlecht), aber als Musiker würde ich das persönlich nehmen (aber nicht zu sehr).

Gegenbeispiel: Wenn mein Spielleiter am Wochenende umsonst für uns leitet, dann erwarte ich nicht weniger, sondern einen tollen RPG-Abend.

Mein Antwortbeitrag aus dem MeWe-Thread:

 

Die genannten Stundenpreise pro Spieler sind (in Dollar) auch das, was ich von den paar US-Spielleitern, die das hauptberuflich machen, so genannt bekommen habe.
Das sind Leute, die fünf Tage die Woche, jeden Tag zwei vierstündige D&D-Runden leiten. Da kommt dann schon was zusammen, so daß es sich als Haupteinkommensquelle lohnt.
Nur MUSS man eben ordentlich Werbung machen, seine Kundschaft pflegen, damit die wiederkommen bzw. neue Leute anschleppen.

Diese Art der Professionalisierung des Spielleitens ist mir zu weit weg von dem sich gegenseitig Zuspielen, was ich an einer Rollenspielrunde so schätze.
Ich würde für eine Vierstunden-Runde nicht 80 Euro zahlen. Auf Cons bekommt man selbst bei Einberechnung von Fahrtkosten, Parkgebühren, Eintritt und Verpflegung seine Spielrunden für weit weniger pro Stunde. (Da gibt es natürlich auch schon Unterschiede, elitäre Luxusklasse-Cons und die schmuddeligen Cons für die ungewaschenen Massen.)

Das Rollenspielhobby MUSS kommerziell attraktiv genug sein, damit es neue Produkte gibt und sich überhaupt Verlage die Arbeit machen diese herauszubringen. Ebenso müssen sich Con-Veranstaltungen rechnen. Und Spieleläden sowieso - ob online oder für Laufkundschaft.
Mir geht nur die ART der Kommerzialisierung mancher Bereiche des Rollenspielhobbys etwas gegen den Strich. Es wird mir in den letzten Jahren einfach viel zu oft auf viel zu viel ein Preisschild geklebt, was früher aus Enthusiasmus für das Hobby mit anderen einfach so geteilt wurde. Das führt meinem Eindruck nach zu einem Verarmen der Hobbylandschaft. Es ist wie bei den Weidekriegen der alten Westernzeit, wo plötzlich überall Stacheldrahtzäune gezogen wurden, wo früher noch freies Weideland war. Diese Zäune sind heute die Paywalls, die bislang frei zugängliche Inhalte verbergen.

Klar, es gibt immer noch freie Blogs, freie Rollenspiele, auch pay-what-you-want-Produkte sind, wenn man will, kostenlos. Aber es ist zumindest in meiner Wahrnehmung ein Rückgang der Freigiebigkeit, des Teilens mit anderen Rollenspielern, festzustellen. Und das finde ich schade.

In diese Richtung geht das kommerzielle Spielleiten ebenfalls. Auch wenn es offenbar Bedarf bei der Kundschaft und eine zahlungskräftige Klientel gibt, die sich das leisten kann und möchte, finde ich es einfach nicht angemessen diesen Bereich des Rollenspielhobbys zu kommerzialisieren.

Bei D&D 3e+ mag das gehen, ich gönne der Person den nischigsten Beruf der Welt.

Das spricht ja eigentlich nur für den derzeitigen Erfolg von D&D. Wenn der Markt groß genug ist, ist klar, dass sich da jemand findet, der das macht.

Den Vergleich mit der Hobbymusik finde ich passend. Kein Hobbymusiker hat doch weniger Spaß am Piano, weil Lang Lang auch Piano spielt.

Potentiell könnte sich bei anhaltender Popularität von D&D5 und großer Verbreitung von Bezahlspielleitern ein Problem mit dem Spielstil ergeben.

Da würde ich aber lieber erst drüber bitchen, wenn es soweit ist.

Im Prinzip habe ich nichts dagegen, dass Menschen Geld verdienen.

Als Spielleiter macht man sich aber dann zur Auftragshure, vgl. SL-Typ Lakai.

Mein Hobby wäre es dann nicht mehr.

* Orangener Gurt im PJJ * Grüner Gürtel im Drama-Fu (Drachen-Stil) * Brauner Gürtel im Pyro-Fu * Night's Master im Ghoulu Jitsu * Gelber Gürtel im Tanelorn *

Ich teile die Bedenken von Falk in dem verlinkten Beitrag zu 100 %.

Bei mir beginnt das Problem schon beim SL selbst. Ich findes es extrem frustrierend, wenn von den Spielern kein Einsatz und keine Eigeninitiative kommt. Das ist die Gegenleistung, die ich als SL von meinen Spielern erwarte, damit ich auch Spaß an der Runde habe, nicht Geld. Ließe ich mich bezahlen, müsste ich eine Runde auch dann durchziehen, wenn bei den Spielern überhaupt keine Atmosphäre aufkommt. Das wäre mir eine Qual.

Zudem ist es ja nicht immer messbar, ob die Leistung eines SL gut oder schlecht ist, denn vieles hängt einfach vom Geschmack der Spieler ab, gerade wenn man sich vorher nicht kennt. Dem Anspruch und dadurch resultierenden "Leistungsdruck" würde ich mich nicht aussetzen wollen; das ist dann eben kein Spiel mehr, sondern Arbeit.

Aber auch als Spieler würde ich dankend abwinken, weil es bei einem bezahlten SL eben nicht mehr primär darum geht, zusammen eine tolle Runde zu erleben, sondern Geld zu verdienen. Dieser Eindruck wäre ein Einstieg, der bei mir schon die Erwartungen enorm nach unten drücken würde und eine Hürde für einem entspannten Stimmungsaufbau darstellen würde, die man erst einmal nehmen müsste ... und das innerhalb eines sehr überschaubaren Zeitraums. Alleine der Gedanken, innerhalb einer bestimmten vorgegebenen Zeit ein Abenteuer durchspielen zu müssen, möglichst punktgenau, egal was kommt, ist m.E. völlig widersinnig und stimmungstötend.

Rollenspiel ist Interaktion, zwischenmenschlich, gemeinsames Kopfkino, sich in einem gewissen Grade auch öffnen. Die besten Momente sind die, in denen sich die Spieler emotional einbringen, weil sei persönlich berührt werden. Dadurch unterscheidet PnP sich m.E. deutlich von dem Auftritt eines Musikers vor einem Publikum, der vielleicht als Entertainer mit der Masse interagiert, in der der einzelne Zuschauer aber untergeht. Oder zu einem Kinofilm, für den ich bezahle, von dem ich mir aber lediglich einseitige Unterhaltung erwarte; der Film interessiert sich nicht für mich. Der SL sollte sich für seine Spieler interessieren und sie nicht als zahlende Kunden betrachten. Das schafft schon im ersten Antritt eine Distanz, die es für mich ziemlich uninteressant machen würde. Ich käme nie auf den Gedanken, jemanden dafür zu bezahlen, dass er mit mir Kaffee trinkt oder isst oder sonst eine persönliche Interaktion tätigt.

Der einzige Aspekt, unter dem ich mir eine bezahlte Runde vorstellen könnte, wäre die Möglichkeit, sich von einem erfahrenen SL ein paar Techniken, neue Ideen etc. abschauen zu können. Aber dafür kann man dann genausogut ein Video im Internet schauen.

All dead! All dead!

Zudem ist es ja nicht immer messbar, ob die Leistung eines SL gut oder schlecht ist, denn vieles hängt einfach vom Geschmack der Spieler ab, gerade wenn man sich vorher nicht kennt. Dem Anspruch und dadurch resultierenden "Leistungsdruck" würde ich mich nicht aussetzen wollen; das ist dann eben kein Spiel mehr, sondern Arbeit.

Die nicht-Meßbarkeit des Spielleitens ist nun wirklich KEIN Hinderungsgrund. Es gibt SOOO viele Sachen, die nicht meßbar sind, zumindest nicht einfach, aber sie werden dauernd "gemessen" und Erfolg wird nach total bekloppten Metriken und Erbsenzählerei vergeben.

Man macht es beim Spielleiten dann genauso: Feedbackbögen auswerten, Zeiterfassungsbögen, Metaevaluationen, Zählen der eingesetzten BattleMaps, Encounter/Stunde, XP/Stunde und so weiter und so fort...

 

Du lebst schon in der Dystopie des McNamaraschen Unsinnzählens!

Auch Dinge wie Kampfwerte, Vergleichbarkeit von Skills etc. fußen ja oft auf der Selbsttäuschung, der SL hätte irgendein selbstlaufendes, kohärentes System für die Spielwelt, dabei macht er es ja der Nase nach. Zufallstabellen können das gut abpuffern.

Aber Elegod bringt noch eine ganze Menge Hinweise rein, welche praktischen Probleme die eigentliche Ausführung hat. Ich würde mich dann oft fragen, wofür ich da eigentlich bezahle. Gut, man kann natürlich sagen, für einen Yoga Kurs muss man auch bezahlen und sich dann trotzdem selbst bewegen.

In Japan können Einsame ja Verwandte mieten, die lieben einen dann für Geld. So muss man das wohl sehen, ist für mich noch eine fremde Welt.

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