The Prussian Gamer’s sound advice

Worin berichtet wird, von der bonfonzionösen
Leitung einer Campagne, auf daß diese
erfolgreichen Verlauf nehme, und zu großer
Befriedigung gereiche.

Von Hofrat Settembrini

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Sprechen wir über Abenteuerrollenspiele, vulgo A.R.S.. Im Abenteuerrollenspiel ist die zentrale Figur, die über den Verlauf und den Stil des Ablaufs entscheidet, der Spielleiter oder auch Meister genannt. Die Konnotation aus Kiesowschen Tagen, daß dem Meister mit einer gewissen mythischen Aura und Autorität zu begegnen sei, soll bei der Benutzung des Begriffs nicht mitschwingen. Vielmehr ist es der hergekommene und also ursprüngliche Begriff, dessen Ablehnung durch die Nachgeborenen nichts mehr als postpubertäre Verweigerung gegenüber den Eltern darstellt. Der aufgeklärte Spieler kann also, so er in sich selber ruht, mit seiner Vergangenheit und den Spielen der Kindheit im Reinen, das Wort Meister benützen, ohne zwanghafte Angst zu leiden, allein der Begriff könne provinziellen Mief auf der hochurbanen und vermeintlich erwachsenen Metropolitenweste hinterlassen. Es geht nämlich um Spiele, also einem hedonistischen Vergnügiosum, dessen vornehmste Eigenschaft die Möglichkeit zum Lernen ist. Einem Kind gereicht Lernen immer zum Vorteil, der Erwachsene meint, dem Lernen entwachsen zu sein. Doch damit entbiert dann das Spiel jeglichem moralischen Mehrwert. Folglich ist es gerade das kindliche und jugendliche Lernen und spielerische Ausprobieren, das einen gewissen entschuldigenden Factor in dies Vergnügiosum bringt, ohne das kindlich-jugendliche Element ist es reines Amüsement.

Kritik des praktischen Rollenspiels

Nach derart Vorrede, nun rasch zum Kerne vorgedrungen: Abenteuervorbereitung. Hierbei lassen sich vier Grundtypen unterscheiden. Als da wären:
1) Hohle Gasse
2) Gewölbe
3) Detektiv
4)Vogelfrei
Natürlich sind diese Namen nur Platzhalter für abstrakte Konzepte und nicht für konkrete Abenteuersituationen. Diese vier Vorberreitungsarten bestimmen nachhaltig die Freiheitsgrade der Spielerhandlungen und die möglichen Verläufe des Geschehens. Anders gesagt, der Meister entscheidet alleine durch seine Vorbereitung, wie sich der Abend entwickeln kann. Häufig sind aber nicht gesamte Abenteuer nach nur einem Konzept erarbeitet, sondern einzelne Elemente sind unterschiedlich vorbereitet worden, und gedanklich vom Meister in eine der vier Kategorien eingeordnet worden. Wichtig ist auch, daß es sich nicht um Idealtypen, handelt, die wünschenswert sind, sondern um real existierende, hier etwas generalisiert wiedergegebene Typen handelt. Zu den einzelnen Vorbereitungsarten:

1) Die Hohle Gasse

Der Verlauf steht fest. Der Spielleiter hat eine fixierte Geschichte, die ablaufen soll. Meist gibt es bestimmte Elemente, die er realisieren möchte. Damit diese Elemente auftauchen, muß sich der Spielleiter bestimmter Techniken bedienen.

Leitelemente:

  1. Coole Szenen
  2. Dramatische Wendungen
  3. Überaschungsmomente
  4. Bestimmte emotionale Situation schaffen
  5. Auftritte von NPCs
  6. Großes Finale

Was wird vorbereitet:

  1. Ein Weg zwischen den Leitelementen
  2. Ausschmückungen, verbal
  3. Ausschmückungen, optisch
  4. Ausschmückungen, musikalisch
  5. Ausschmückungen, sonstige

Fig. 1: Von den Leitelementen

Wie angedeutet, sind die Leitelemente der Kern. Damit dieser Kern zum tragen kommt (der ja auch vorbereitet wurde), müssen innerhalb alle Vorraussetzungen erfüllt sein. Um z. B. einen geplanten Überraschungsmoment zu realisieren, dürfen die Spieler vorher nichts davon erfahren, um ein großes Finale zu haben, müssen alle Schurken bis zum Schluß überleben und der Endkampf genau am geplanten Schauplatz stattfinden, meist sogar genau zum realen Ende des Spielabends. Hier wird schon deutlich, daß meist Zwangsmittel eingesetzt werden müssen, um das zu realisieren. Das heißt, die Spielerfreiheit und insgesamt die Handlungsfreiheit sind auf die Punkte begrenzt, die die Leitelemente nicht gefährden. So kann man, sollte ein überraschender Überfall das Leitelement sein, sich als Spieler auf den Kopf stellen, man wird diesen nicht verhindern können.

2) Das Gewölbe

So kann eine Abfolge von Begegnungen genannt werden, die mit einer endlichen und vordefinierten Anzahl von Verbindungen ausgestattet sind. Begegnungen können im einfachsten Falle Monster sein, aber auch Rätsel, soziale Interaktion oder Fallen und Hinterhalte können gemeint sein. Allgemein kann gesagt werden: jede Begegnung gibt den Spielern eine Möglichkeit, innerhalb der Grenzen der Begegnung frei zu agieren. Besonders hilfreich ist das Konzept der Begegnungen, wenn die Spieler schnell und übersichtlich etwas zu tun bekommen sollen. Jeder Begegnung kann reaktiv begegnet werden, d. h. Spieler können ihren Charakter definieren, indem sie die Reaktion auf die Begegnung ausspielen.

Was wird vorbereitet:

  1. Die Begegnungen; ihre Zahl und Art
    1. Genaue Regeln für die zu lösende Aufgabe; Monsterwerte, oder Ziele und Bedürfnisse des Verhandlungsgegenübers
    2. verschiedene Lösungsmöglichkeiten
    3. Wie hängt diese Begegnung und ihr Verlauf mit anderen Begegnungen zusammen?
    4. Belohnung für das erfolgreiche Absolvieren der Begegnung
  2. Das Gewölbestruktur-Flußdiagram, vulgo die
    Karte des Verlieses
    1. Die Beschaffenheit der Begegnungsumgebungen z. B. Räume
    2. Die Verbindungen zwischen den Begegnungen

Fig. 2: Von den Gewölbe -Vorbereitungen

Die Art und Weise, wie die Begegnungen verbunden sind, ist oft wichtig, z. B. physisch durch Geheimgänge und Türen, oder konzeptionell-abstrakt durch Hinweise und Informationen. Das Besondere an einem nach Gewölbestruktur geschaffenen Abenteuer ist, daß die Verbindungen zwischen den Begegnungen recht schnell offenbar werden, also immer die nächsten Handlungsoptionen klar sind. Geheimtüren sind die Ausnahme zu dieser Regel, die sie offenkundig bestätigt. Das Konzept der Begegnung ist in Deutschland unterrepräsentiert. Es folgt logisch aus den Vorbereitungen, daß die Spieler Frei sind, wie sie die Begegnungen angehen, sie sind Ergebnisoffen. Die Freiheit findet aber nur innerhalb der Vorbereiteten Begegnungen statt, es gibt souzusagen keine Strategische Freiheit, aber eine große taktische, wobei diese Begriffe durchaus nur den Maßstab der Betrachtung und nicht militärisch verstanden werden wollen.

3) Das Detektivabenteuer

Es gibt eine, das gesamte Abenteuer umfassende zu lösende Aufgabe, üblicherweise ein Kriminalfall, aber nicht ausschließlich. Ähnlich einer einzigen, riesigen Begegnung, besteht Handlungsfreiheit innerhalb dieses Rätsels. Die Wege zwischen den Einzelbegegnungen dieses Vorbereitungstyps zu finden ist die Hauptaufgabe der Spieler und das Hauptunterscheidungsmerkmal zur Gewölbestruktur. Da die Verbindungen zwischen den Leitelementen und/oder Begegnungen eben unbekannt und Gegenstand der Spielertätigkeit sind, kann es zu Längen während des Spiels kommen. Je nach Geschmack werden diese als störend oder als Delay of Gratification angesehen.

Was wird vorbereitet:

Das Rätsel, der Kriminalfall, die Verschwörung, das zu Lösende:

  1. Hergang
  2. Akteure, evtl ihre Mittel
  3. Motive
  4. Beweise, Hinweise, Indizien

Abenteuerverlauf:

a) Leitelemente
b) Begegnungen
c) Umgebung
d) Ausschmückungen
e) Zeitplan für N-Sp. Akteure

Fig. 3: Von den Detektivabenteuer -Vorbereitungen

Bei den einzelnen Leitelementen oder Begegnungen erhält man dann weitere Hinweise, die dann entweder offenkundig die Verbindungen beinhalten oder die erst mittels des bereits erworbenen Wissens entschlüsselt werden müssen. Wichtiger Punkt ist, daß bei dieser Art der Vorbereitung zwar scheinbare strategische Freiheit herrscht, diese aber durch die Vorbereitung eng begrenzt ist. Anders als bei der Gewölbe- Struktur wird dies für die Spieler aber nicht sofort offenbar, wenn sie „in einem Raum ohne Tür“ bzw. einer Ermittlungssackgasse sind.

4) Die Vogelfreiheit

Es gibt viele Situationen, in denen der Meister aus Zeitgründen nicht ausreichend vorbereiten kann. Zudem gibt es Meister, die strukturell kaum etwas konkretes für den Spielabend vorbereiten. Und dann existieren Leitungsarten, die lokales Vorbereiten unmöglich, globales Vorbereiten aber wünschenswert machen.

Oft hat der Meister lediglich unausgearbeitete Grundideen, die die Rolle von Leitelementen einnehmen. Dann gibt es ein freies Schwimmen zwischen diesen Leitelementen, das Freiheit vortäuscht.

Im Idealfalle hat aber der Meister umfassende Kenntnisse über die gesamte Spielwelt, kennt eine Vielzahl von Konflikten und interessanten Elementen, und hat einen großen virtuellen oder tatsächlichen Vorrat an begegnungen parat. Vollkommen Ergebnisoffenes Spiel ist die Folge. Manche Welten, Supplements oder Systeme fördern dieses relativ unstrukturierte Spiel durch Regeln wie Handelsregeln oder Zufallsbegegnungen. Beispiele sind Traveller, Wilderlands of High Adventure und Vampire. Das Problem der Vogelfreiheit ist es, konkrete Begegnungen interessant und herausfordernd zu machen, ohne das diese vorbereitet wurden, ansonsten gleitet dieser Stil schnell in ein schlecht vorbereitetes Abenteuer nach Muster Hohle Gasse ab.

Bonfonzionöse Campagnen

Da nun festgestellt wurde, wann und wie der Meister durch seine Vorbereitungsentscheidungen die Freiheitsgrade der Handlung und der Spieler innerhalb eines Abenteuers festlegt, können wir zum Campagnenspiel vordringen.

Ausgehend von einem Artikel von Shannon Kalvar, zeige ich auf, was bei der Erschaffung von guten Campagnen hilfreich, ja fast unabwendbar ist.

Viele Campagnen, insbesondere veröffentlichte, verlaufen linear, wie eine Metaversion der Gewölbestruktur mit nur je einer Verbindung zwischen den Aufgaben. In sog. Abenteuerpfaden folgt ein Abenteuer auf das andere, und zwar genau ein Abenteuer auf das danach vorgesehene. Dies schöpft nicht alle Freiheitsgrade aus, nur Zeitgründe können eine Entschuldigung für diese Methode sein. Was bei mir jahrelang implizit und stellenweise auch explizit ablief, war das ständige Fortschreiben der fiktiven Spielwelt aus den Handlungen der Spieler und der N.Sp.-Akteursgruppen.

Fig. 4: Beispiel einer Handlungsmaschine

Dieses Konzept ist in excellenter Weise im Artikel Dynamic Story Generation codificiert worden. Der Inhalt sei hier auf das nötigste beschränkt und eingedampft in deutscher Sprache wiedergegeben.

Kernelement ist die sog. Handlungsmaschine. Sie ist im Wesentlichen ein Diagram, das den Abwägungsprocess bei der Weltfortschreibung erleichtert, und ist in Figur 4 dargestellt. Die Kästchen Akteure, die Pfeile stellen negative wie positive Beeinflussung und die Geraden markieren Controlle. Das Oval bezeichnet Ressourcen, um die die Akteure buhlen. Die Zahlen seitens der Geraden zeigen die relative Stärke der Verbindung zwischen einem Akteur und der Ressource an. Die Plus- und Minuszeichen seitens der Pfeile zeigt auf, ob die Beeinflussung positiv oder negativ ist.

Figur 4 versinnbildlicht folgende Handlung: Im Königreiche Zippel gibt es zwei Adelige, Baron Botho und Freiherr Ansgar, welche sich in einer Fehde um eine Goldmine, die nahe bei den Ländereien beider gelegen ist. Dinge, welche von Vorteil für Freiherr Ansgar sind, schaden dem König. Ereignisse, die Baron Botho zum Vorteil gereichen, helfen dem König. Jeder Vorteil für einen der Streitenden, ist zum Nachteile des anderen. Die Goldmine ist unterliegt zur Zeit gleichstarken Einflüssen beider Parteien, beide haben viel Mühe hineingesteckt, um ihre Controlle zu etablieren, was durch beide Vieren kenntlich gemacht ist. Der König hat keinerlei Anteil an der Goldmine, evtl. weil er nicht von ihr weiß, oder sie durch Recht und Herkommen in diesem Fall nicht in seinen Zuständigkeitbereich fällt.

Maschinenteile

Die Controlle ist eine Anzeige über das Maß der Verfügungsgewalt, die ein Akteur auf eine Ressource ausübt, üblicherweise ausgedrückt durch eine Zahl von eins bis zehn, mit einer zehn als Anzeiger für vollständige Controlle. Der Akteur mit dem höheren Wert controlliert die Ressource. Bei Gleichstand bleibt sie neutral.

Beeinflussung stellen die positiven wie negativen Beziehungen zwischen zwei Akteuren dar. Sie können Einseitig oder Beiderseitig sein. Im Beispiel ist zum Beispiel etwas, daß Gut für den König Zippel ist nicht zum Nachteil des Freiherren Ansgars.

Akteure sind Einzelpersonen, Organisationen oder Mächte, die über einen eigenen Willen verfügen. Sie reagieren auf Beeinflussung gemäß ihrer eigenen Zielvorstellungen.

Ressourcen sind Gegenstände, Orte oder Abstrakta, die ohne eigenen Willen sind. Sie sind passiv, und nur Gegenstand der Handlungen der Akteure.

Zur Construction einer Handlungsmaschine

Es sollte konkrete Akteure geben, idealerweise dergestalt, daß Spieler einen Akteur erkennen, wenn sie ihm Gegenübertreten. So ist eine Stadt eine schlechte Wahl, einzelne Zünfte innerhalb derselben aber eine sehr gute.

Weiterhin sollte jeder Akteur mit mindestens einem anderen in einem Beeinflussungsverhältnis stehen, ansonten nehmen sie nicht am Geschehen teil.

Nicht alle Akteure müssen miteinander, als mit allen anderen verbunden sein. Dies führt nur zu Confusion, weiterhin ermöglichen einem verästelte Handlungsmaschinen unvorhergesehene Ergebnisse zu erzeugen. So wird den Spielern zunächst unklar bleiben, warum Gräfin Nephran auf einmal der Gruppe positiv gegenüber gestimmt ist, nachdem sie dem Ischtar-Tempel geschadet haben.

Fig. 5: Verästelte Handlungsmaschine

Ressourcen sind optional, wie aus Fig. 5 hervorgeht; Ressourcen agieren nicht, und können bei Bedarf weggelassen oder hinzugefügt werden.

Zu vermeiden ist es, eine gerade Anzahl Akteure zu nutzen, diese neigen zur Stabilität. Oder die Ausgangssituation wird mit einer geraden Anzahl dargestellt, um die Verwerfungen besser erklären zu können, die aus dem Fehlen einer Aktuersgruppe folgt. Ungleichgewichte erzeugen Bewegung, eine sich bewegende Maschine erzeugt Handlung.

Positive und negative Beeinflussungen sollten berücksichtigt werden. Wenn Spieleraktionen auch negative Folgen haben, wird die Welt glaubhafter, und Entscheidungen werden schwerer, sowie politischer.

Wenn möglich sollten ununterbrochene Schleifen vermieden werden. In Fig. 5 exisitert so eine Schleife: Ein positives Ereignis für den Grafen schadet der Goldschmiedezunft, was wiederum die Gräfin stärkt. Eine gestärkte Gräfin, zieht aber immer einen geschwächten Grafen nach sich, was die Goldschmiede stärkt und in der Folge die Gräfin negative beeinflußt, usw. usf..

Einfacher ist es, einen positiven Zusammenhang zwischen Goldschmieden und der Gräfin herzustellen, sie sind dann verbündet und agieren gemeinsam, die Schleife ist durchbrochen (siehe Fig. 6).

Fig. 6: Verästelte Handlungsmaschine, ohne Endloschleife

Spieler

Die Spielergruppe existiert außerhalb der Maschine und setzt sie in Bewegung, indem sie die Akteure beeinflussen. Sie erzeugen negative oder positve Effekte, die dann die Maschine zum laufen bringe, und das Gleichgewicht verändern. Daraus erwachsen dann Reaktionen der Akteuere gemäß den o. g. Gesetzmäßigkeiten. Manchmal werden die Spieler dazu angeheuert, die Controlle über eine Ressource durch ihr Abenteurerwirken zu erhöhen. Dies stärkt den Akteur der dann die Ressource kontrolliert, was widerum auf ihn positiv wirkt, und entsprechende Reaktionen innerhalb der Maschine zeitigt.

Durch Verhandlungen, oder Spezialeinsätze können die Spieler aber auch Beeinflussungslinien neu schaffen, in ihrer Wirkung umkehren oder gar neue Linien schaffen. Als Beispiel sei das Schmieden eines Bündnisses zwischen vormals durch Irrtum verfeindete Mächte durch die Aktionen der Spieler angeführt.

In der Tat sind in diesem Modell die Spieler der Antrieb der Maschine, ihre Handlungen setzen sie in Bewegung und provozieren Reaktionen seitens der Akteure.

Für den Meister gibt es einige wichtige Fragen, die er für sich beantworten muß, wenn er vermittels der Handlungsmaschine die Ereignisse in der Spielwelt fortschreibt. So ist es sehr wichtig, wann die Informationen bei welchem Akteur ankommen, und wieviel Zeit dieser für seine Reaktion benötigt. Ebenso wichtig ist es, sich zu überlegen, bzw. festzulegen, wie sich der Machtzuwachs oder Verlust komkret in der Spielwelt äußert. Es ist auch enorm wichtig genau zu hinterfragen, welche der Reaktionen und Entwicklungen überhaupt von den Spielern erfaßt werden können.

Turbolader

Die Maschine kann wie vorgestellt schon erhebliches leisten, es gibt aber noch würzende Elemente, die die Dynamik erhöhen. Hierzu gehören gegenläufige Beeinflussungen, also jeweils ein positiver und ein negativer Pfeil. Beide Akteure halten sich so in einem negativen Gleichgewicht. Weiterhin kann eine Gewichtung der Beeinflussungen interessant sein. Hierbei werden besonders effektive Verbindungen mit Multiplikatoren versehen, die die Stärke angeben. Ebenso ist es möglich, der Beeinflussungslinie einen Wert zuzuweisen, um anzuzeigen, wieviel Aufmerksamkeit sie durch den Akteur erhält. Besonders interessant ist es, den Akteuren selbst Werte zuzuweisen, die innerhalb der Maschine die relative Macht widerspiegelt, dieser Wert wird dann durch die laufende Maschine verändert. Solche Wertungen ermöglichen es, Wenn-Dann Anweisungen und Siegbedingungen zu definieren. Wenn Karl einen Wert von 12 erreicht, wird er König, sei ein Beispiel. Die Anweisungen und Bedingungen können dann beliebig komplex werden. Dadurch wird es viel leichter für den Meister, aus abstrakten Diagrammen konkrete Abenteuersituationen zu schaffen.

Eine ganz enorme Campagne

In der durch mich angelegten und in den vergangenen Fünf Jahren gespielten Traveller Campagne „Tennessee Stud“, gab es Handlungsmaschinen zuhauf. Es gab Meta-Handlungsmaschinen und Subsysteme, die für Spezialfälle fortgeschrieben wurden. Die wichtigsten Übergeordneten waren:

  • Handlungsmaschine Psychohistoriker
  • Handlungsmaschine militärisches Gleichgewicht

Beide haben sich auch noch zusätzlich Beeinflußt, da einer der Psychohistoriker den Fünften Grenzkrieg auslösen wollte. Hier sehen wir die erste HOFRATsche Modifikation: Akteure können eigene Ziele haben, und können selbsttätig die Maschine in Bewegung versetzen.

Fig. 7: Das militärische Gleichgewicht im Far Frontiers Sektor
als Handlungmaschine

In Fig. 7 ist eine abgebildet. Das 3. Imperium hat nur einen Verbündeten im entfernten Far Frontiers Sektor, und zwar die SRV. Diese ist durch einen Bürgerkrieg in drei Teilstaaten zerfallen. So wurde aus dem mächtigsten Staat (4 Punkte), ein geschwächter Rumpf (2 Punkte), der sich mit Müh und Not der Angriffe und dem Druck des Magistrats (3 Punkte) erwehren kann.

Die Kampfhandlungen des Bürgerkrieges sind zwar vorbei, doch fehlen die Ressourcen und Arbeitskraft der abtrünngen Teile schmerzlich. Einzig der Flottenverband, der vom 3. Imperium nach der SRV entsandt wurde (+1), kann ein Zusammenbrechen verhindern.

Da die gesamte Flotte der SRV an der kernwärtigen Grenze zum Magistrat gebunden ist, und die Heilige Allianz über keine Sternenschiffe mehr verfügt (diese sind im Bürgerkrieg ausnahmslos vernichtet worden), gibt es keine Wechselwirkung mehr zwischen SRV und HA. Als Ressource dargestellt ist der Planet Chorsabad: Hier arbeiten, leben und sterben 50 Mrd. Menschen, ein eminent wichtiger Industrieort im Sektor. Hier tobt weiterhin der eigentlich beendete Bürgerkrieg, zwischen SRV-freundlicher Bevölkerung und religiösen Fanatikern der HA. Da es aber eben keinen Schiffsverkehr mehr gibt, weiß die SRV Führung nichts davon. Die (3) und die (5) zeigen an, wie der Bürgerkrieg auf Chorsabad gerade steht, und zwar gut für die HA, diese controlliert die Ressource Chorsabad, was ihr einen Machtzuwachs von (2) gibt.

Der randwärtige Nachbar der Heiligen Allianz ist die mysteriös-monolithische Muda Hegemonie, die ihren Einfluß in Richtung Kern, also auf Kosten der HA ausweiten will. Da aber die HA keine Sternenschiffe mehr hat, ist diese Beeinflussung einseitig; eine Schwächung der HA ist gut für Muda, aber umgekehrt kan die HA mit einer Schwächung Mudas nichts anfangen. Ganz Neutral waren ursprungs die Vereinigten Grenzwelten, es gab aber Bestrebungen des Magistrats, die Rohstoffe der VG zu nutzen. So bot das Magistrat (mit geheimen Krediten der Zhodani) den Grenzwelten viel Geld, um die Rohstoffe aufzukaufen. Die Spieler fanden dies zu spät heraus, bzw. hat sich einer der Spieler seinerzeit mit der Firma, die hauptsächlich davon profitierte eingelassen, um seinen privaten Vorteil zu suchen. So nahm diese Allianz ihren Lauf, und die SRV hat anstatt eines Verbündeten einen weiteren, wenngleich passiven Gegner dazugewonnen. Dies führte zur Kraftverschiebung, und das Magistrat erneuert anderthalb Jahre später gestärkt den offenen Krieg mit der SRV.

Währenddessen hatte die Gruppe die Möglichkeit den Bürgerkrieg auf Chorsabad zu beeinflussen, tat dies zunächst aber nicht. Dafür zettelten die Spieler eine handfeste Arbeiterrevolte zur Befreiung der In-Vitros innerhalb der Grenzwelten an. In mehreren Abenteuern, die erst Vogelfrei waren, dann Detektivisch wurden und in Gewölbe-Abenteuern ihren Abschluß fanden, wurde zunächst die öffentliche Meinung in der SRV manipuliert, Wahlkampf für die Falken gemacht, und somit die SRV für den kommenden Krieg gestärkt (positives Ereignis; diese Maßnahmen wurden im Vogelfrei Modus ausgetragen; ich konnte lediglich die Machtverhältnisse und Meinungsmacher in der SRV katalogisieren und mußte effektiv eine eigene Handlungsmaschine dafür betreiben; dies würde aber den hier gesetzten Rahmen sprengen). Detektivisch war der Teil, in dem sie die Mächtigen und ihre Verbindungen zum Magistrat ausfindig machten. Die eigentliche In-Vitro Revolte wurde dann durch mehrere klassische Kommandoabenteuer angezettelt. In der Summe wurde also nicht, wie auch möglich, die Grenzwelten wieder mit einer Beeinflussungslinie zur SRV verbunden, sondern der Machtwert auf Null reduziert.

Dann folgten recht bald die schicksalshaften Kampfhandlungen zwischen Magistrat und SRV. Durch die stärkenden Maßnahmen (+1) und die Neutralisierung der Grenzwelten, waren beide Staaten wieder gleichstark (3). So waren dann auch die Kampfhandlungen durch ein stetiges belauern gekennzeichnet, was durch ein durch die Spieler initiiertes waghalsiges Flottenmanöver aufgebrochen wurde. Schnell schmolzen die Truppen beider seiten dahin. Diese Kampfhandlungen wurden meist im Vogelfrei-Modus unter Verwendung der reichhaltigen Traveller-Massenkampfregeln ausgefochten. Einzelne Kommandounternehmen wurden dann im Gewölbemodus ausgespielt. Die strategische Situation selbst war ein Spezialfall einer Handlungsmaschine, und zwar eine, die nicht abstrakt, sondern konkret war, und so viel zur Spannung beitrug. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß Karten mit Truppen und umkämpften Ressourcen wie diese ein excellentes Mittel darstellen, um Handlungsmaschinen zu konkretisieren, da ein „Schlachtgeschwader“ das die „Versorgungsrute“ unterbricht, um „den Industrieplaneten“ abzuschneiden, sofort eingängig ist. Im konkreten Fall gab es farbige markierte Handels- und Versorgungrouten als Beeinflussungslinien, Planeten als Ressourcen und Flottengeschwader als Akteure. Zeit war sehr wichtig: Bei Traveller existiert keine Echtzeitkommunikation zwischen den Sternen. Deswegen war während des Krieges die Verwaltung der Depeschen zwischen den einzelnen Flottenverbänden von größter Wichtigkeit. So hatten die Spieler mit ihrer Sherman-Flotte hinter den feindlichen Linien immer einen kleinen Vorteil, da die nachrichten von ihrem letzten Überfall meist erst ankamen, als sie schon wieder weiter geflogen waren. Deswegen war ihr Standort für den Feind ungewiss, und er mußte sich aufteilen. Die Niederlage der SRV konnte abgewendet werden, aber auch die SRV erlitt gigantische Verluste.

Fig. 8: Karten als konkretisierte Handlungsmaschinen

Hier kommt denn auch die zweite HOFRATsche Abweichung buchstäblich ins Spiel: Der Machtwert eines Akteurs sollte immer innerhalb der Spielwelt möglichst detailliert konkretisiert werden. Dies erhöht die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse der Handlungsmaschine und potenciert damit die Spannung bei Konflikten. Zudem werden Ressourcen eben erst durch ihre genaue Begrenztheit zu einer Währung innerhalb des Spiels.

So wurden die volkswirtschaftlichen Rahmendaten aller beteiligter Staaten immer wieder bei Änderungen in der Handlungsmaschine aktualisiert. Die Truppenstärken, die ja für das militärische Gleichgewicht wichtig waren, standen von vorneherein ganz konkret fest und änderten sich durch Spieleraktionen und Neubauten durch die Staaten. Hierbei war auch immens wichtig, wie das politische Klima im jeweiligen Staat war. Diese Processe lassen sich sehr auf vortreffliche Weise mittels Tabellenkalkulationsprogrammen durchführen.

Fig. 9: Beispielhafte Ressourcenverwaltung

Wichtig bei all dieser Buchhalterei ist, daß sie im Hintergrund geschieht, und den Spielern nur die Spielweltlichen Ereignisse dargelegt werden. Ansonste kann schnell Langeweile Einzug halten. Doch werden es die Spieler zu schätzen wissen, daß Erfolge wirkliche Erfolge, und Ressourcen begrenzt sind. Nur dadurch kann eine angemessene Spieltiefe erreicht werden, um wahrhaft epische und mitreißende Spielabende zu erleben.

Für diejenigen die in Zeitnot sind, stellt die abstraktere Version vermittels der Machtwerte ein gutes Substitut dar. Diese Verhältnisse sind schnell aufgeschrieben und können im Rahmen der Handlungsmaschine immer wieder aktualisiert werden.

Die Besonderheit der HOFRATschen Handlungsmaschinen, ist ihre Interdependenz. Hier wurde ja nur das militärisch Gleichgewicht betrachet, Tatsächlich gab es aber mehrere davon, die sich gegenseitig beeinflußten. So haben z. B. einige Psychohistoriker versucht den 5. Grenzkrieg aktiv herbeizuführen, indem sie das Imperium im Far Frontiers Sektor schwächten. Je nachdem welche Fraktion im „Grand Game“ der Psychohistoriker die Oberhand hatte, gab es Auswirkungen auf die Strukturen im Sektor. Ebenso haben einzelne Subsysteme, wie die politischen Machtverhältnisse auf Vesta, oder den Bodenkampfhandlungen auf Chorsabad für viel Spannung und sektorweite, unvorhergesehene Wendungen gesorgt. Und darum geht es beim Abenteuerrollenspiel.

Ich bin Euer Diener usw. usf.

Settembrini