Disputorium

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Links, rechts, ARS!

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Eine Rechtsabweichung vom PESA genehmigten Spiel stellt Railroading dar. Spieler werden gegeängelt, es gibt keine Handlungsfreiheit usw. Dann habe ich aber auch noch von der Linksabweichung gehört. Was ist das? Ist das die encounterbasierte Einschränkung des Spiels durch feste sich nicht aus dem Spiel ergebende Ordnungen, die Tendenz, dem Spiel eine feste Meta-Struktur wie im Theater überzustülpen, wie man es in manchen Indie Spielen sieht? Kontra brettspiel, für organische Entwicklungen, die sich möglichst echt anfühlen?  Gibt es dann noch andere Arten der Abweichung?

Ich glaube, es ist so gemeint:

  • Linksabweichung: Schummel-Erzählspiel, Railroading, Stimmungsspiel
  • Rechtsabweichung: Encountardisation, Begegnungen sind nach Charakterstärke ausbalanciert

Oui, Oui, so ist es. Ob das  einfache links-rechts-Schema ausreicht mag man anzweifeln, bislang haut es hin. Ob überbordende Settingbauerei oder zermürbendes Simulationsgeschisse eigetnlich eine eigene "Richtung" sein müßte, überlassen wir dem Konzil der Dreifaltigkeit aka Threefold Summit.

Wie passt denn so Indie Zeug rein alla "Wir spielen in drei Akten und man kann nur Handlungen ausführen, wenn man die purpurne Krone trägt, und einen Satz mit "Fürwahr es trug sich zu dass.." beginnt? Also wenn über dem Spiel eine willkürliche Struktur liegt, die sich rein aus irgendwelchen Designentscheidungen trägt, und nichts mit der Logik in der Spielwelt zu tun hat?

Linksabweichung!

* Orangener Gurt im PJJ * Grüner Gürtel im Drama-Fu (Drachen-Stil) * Brauner Gürtel im Pyro-Fu * Night's Master im Ghoulu Jitsu * Gelber Gürtel im Tanelorn *

storygamige Linksabweichung!

macht das Sinn?

Weil einmal hat man völlige Willkür durch den SL, der einfach macht, was er für toll hält, und andererseits hat man klare, eindeutige und sichtbare regeln, die eigehalten werden müssen, von allen. Das ist doch ein völlig anderes Spielerlebnis.

 

Das kann man doch nicht in einen karton packen.

Zitat von ErikErikson am 15. Februar 2020, 16:44 Uhr

Wie passt denn so Indie Zeug rein alla "Wir spielen in drei Akten und man kann nur Handlungen ausführen, wenn man die purpurne Krone trägt, und einen Satz mit "Fürwahr es trug sich zu dass.." beginnt? Also wenn über dem Spiel eine willkürliche Struktur liegt, die sich rein aus irgendwelchen Designentscheidungen trägt, und nichts mit der Logik in der Spielwelt zu tun hat?

Die sehe ich auch nicht in den "Linksabweichungen" oder "Rechtsabweichungen" abgedeckt.

So ist z.B. im PbtA-Spiel "The Sprawl" der Ablauf einer Mission (Sitzung) SEHR ENG strukturiert in:

1. Get the Job
2. The Legwork Phase
3. The Action Phase
4. Getting Paid
5. Retaliation
6. Lie low or fight back?

Gerade die beiden Phasen "Legwork" und "Action" sind ausgesprochen gewöhnungsbedürftig, weil hier strikte "Trennkost" von Handlungen der SCs bzw. Handlungsmöglichkeiten der Spieler erzwungen wird, die bei "normalem" Spiel einfach natürlicherweise vorkommen, sich abwechseln oder wiederaufgenommen werden können. Nicht in der Struktur bei "The Sprawl".

Auch beim "pbta-nahen" Rollenspiel "Blades in the Dark" wird strikt in zwei Phasen unterschieden:

1. The Score

2. Downtime

In The Score wird eine kurze Planungsphase und dann eine Engagementphase durchgespielt - letztere ist das eigentliche Verbrechen, das die Bande der SCs begeht.

In Downtime gibt es wiederum vier Unterphasen, die strikt in Reihenfolge abgearbeitet werden müssen:

1. Payoff. (Die Abrechnung des aktuellen Verbrechensergebnisses, die Beute.)
2. Heat. (Die Konsequenzen durch die Verbrechensverfolgung, Polizei etc.)
3. Entanglements. (Die Probleme durch ggf. andere benachteiligte Banden (man spielt immer in Konkurrenz zu einer ganzen Reihe anderer Banden und Gruppierungen, denen man ständig in die Quere kommt), die vom aktuellen Verbrechen betroffen wurden.)
4. Downtime Activities. (Die SCs geben ihren Süchten nach, um Streß zu reduzierten, können an Langzeitprojekten arbeiten, sich von Verletzungen erholen etc.)

Diese Phasen sind in BitD wirklich STRIKT durchzuhalten. Das gesamte (Rollen-)Spiel ist entlang dieser Struktur kanalisiert.

Sogar in an sich "normaleren" Rollenspielen gibt es eine seltsam AUFGESTÜLPT wirkende strikte Struktur. Zum Beispiel in "Conan - Adventures in an Age undreamed of", dem auf dem 2d20-System basierenden Conan-Rollenspiel von Modiphius.

Dort spielt man erst einmal "ganz normal" ein Sword&Sorcery-Abenteuer durch. Aber nach dem Abenteuer gibt es eine "Downtime"-Phase.

In dieser Downtime - und NUR da! - können Wunden erst permanent auskuriert werden, kann man alchemistische Zubereitungen brauen oder seine XP in Fertigkeiten und Talente umsetzen.

Das wirkt SEHR WILLKÜRLICH aufgesetzt. In meinen Runden hatten wir schon oft die Situation, daß die Spieler ihre SCs gerne vollends auskuriert haben wollten, auch wenn ein - teils mehrere Wochen in der Spielwelt andauerndes - Abenteuer noch am Laufen war. Zeit, in reiner Spielweltlogikbetrachtung, wäre ausreichend vorhanden gewesen, aber permanente Heilung, statt nur temporäres (Erst-)Versorgen von Wunden geht laut Conan-Regeln NUR in der Downtime. Das ist unbefriedigend und greift in die innere Logik der Spielwelt ein, finde ich.

Seltsamerweise ist diese BEKLOPPTE Downtime-Phasenregel NUR in der Conan-Version des 2d20-Systems vorhanden. In Mutant Chronicles oder Infinity kann man Leute auch von ernsten Verletzungen zusammenflicken lassen, was eben mal mehr, mal weniger lang dauert, aber eben den normalen Zeit- und Handlungsfluß in der Spielwelt NICHT unterbricht.

Die Downtime-Phase ist meines Erachtens einem Willen der Spiele-Entwickler geschuldet einen eher "episodenhaften" Charakter für das Spiel zu strukturieren. Man spielt ein Action-Abenteuer, danach haben die Charaktere eine Ruhe- und Erholungsphase (in der auch mittels Zufallstabellen "Downtime Events" erzeugt werden, die man für die weiteren Abenteuer nutzen kann). Nur paßt diese strikte Trennung nicht so gut für das Medium Rollenspiel. Der Versuch "Kurzgeschichten" und den "Whitespace" zwischen der einen und der nächsten Geschichte im Rollenspiel-Spielfluß nachzubilden, ist hier eben sehr künstlich aufgezwungen und stört den natürlichen Ablauf des Spielgeschehens.

 

Diese drei obigen Beispiele, The Sprawl, Blades in the Dark, Conan, halte ich alle NICHT für in diese Kategorien passend:

  • Linksabweichung: Schummel-Erzählspiel, Railroading, Stimmungsspiel
  • Rechtsabweichung: Encountardisation, Begegnungen sind nach Charakterstärke ausbalanciert

Weder liegt hier "Stimmungsspiel", noch "Railroading", noch "Schummel-Erzählspiel" vor, und erst recht keine "Encountardisation" oder ein "Schaffbarkeits-Ausbalancieren".

Diese Strukturen kommen sicher aus der "Indie-Ecke", sind aber HART verregelt, so daß man regeltreu spielen MUSS, damit das Spiel nicht bricht. Da wird nicht geschummelt, handgewedelt oder gerailroadet. Dennoch ist das SPIEL SELBST, also das Gameplay, und die HANDLUNG in der Spielwelt stark in diese Strukturen gegliedert.

Für mich hat dies ein wenig von einem "brettspieligen" Spielgefühl. Man kann zu bestimmten Phasen nur das machen, was diese Phase nach den Regeln als Handlungsmöglichkeiten vorsieht. Derartige Einschränkungen kommen mir wie aus dem Brettspiel entlehnt vor.

Ist das nun eine neue "Abweichungsrichtung"?

Brettspieligkeit als neue Richtung?

 

Seht ihr, das kommt dabei heraus, wenn man es zu ernst nimmt, jetzt habt ihr es kaputt gemacht!

Also, für mich ist das alles Linksabweichung, Zornhau.

Aber die Kategorien sind mmN als schnelle und etwas schnippische Etikette gemeint.

Links sind dabei Sachen, die von außen neu an das Hobby herangetragen werden und nicht so recht passen wollen. (Stimmungsspiel, künstliche Downtime, Erzählspiel etc.) Rechts sind Sachen, die aus den Wurzeln des Hobbys stammen und schon in frühen Formen da waren, in der Überbetonung aber auch vom Eigentlichen ablenken. (Settingschrauberei, Kampfbetonung, Encountardisation, Hartwurst...)

Zumindest fasse ich das so auf und finde das so recht treffend.

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