Disputorium

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ZBR 27: Traveller II

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Ihr habt alle sicherlich recht, aber wenn ich mir die mir bekannten RPG-Sci-Fi-Settings anschaue und sie auf einer Skala Utopie/Dystopie sortiere, dann kommt (natürlich rein subjektiv) ungefähr folgendes raus:

  1. Star Trek, evtl. Mindjammer (Post Scarcity Utopie)
  2. Traveller, Space Master  (Neoliberale Utopie, Neofeudalismus)
  3. X-Plorers und Hulks & Horrors (aber auch nur wegen des cartoonhaften Stils, und es gibt nicht viel an eigentlichem Setting)
  4. Stars Without Numbers (Post-Apo, aber nicht per se kaputt)
  5. Eclipse Phase (hat zwar dystere Elemente, aber der Transhumanismus - Teil und einiges an Setting wirkt eher optimistisch)
  6. High Colonies (Post Apo)
  7. Dune/BattleTech/Humanspace Empires (Post Apo, Neofeudalismus)
  8. Aliens/Mothership/Cold & Dark (Edgy Dysternys, Namenlose Schrecken und uralte Monster)
  9. Warhammer 40K

(Star Wars und Starfinder lasse ich mal als Science Fantasy aus, auch wenn es einen optimistischeren Grundton hat. Diaspora hat kein eigenes explizites Setting, Fragged Empires und Coriolis kenne ich schlichtweg nicht gut genug, um es zu beurteilen.)

Da ist Traveller noch weit oben, vor allen anderen, auch wenn es vielleicht eher am Mittelpunkt dieser Skala sein könnte. Die Auswahl an optimistischeren Settings, die eine weiterentwickelte Menschheit zeigen, ist eher ... sehr gering. Ist das der Zeitgeist, oder gibt es da nicht viel zu holen? Wo sind die Zukünfte, in denen man leben möchte?

3I bedeutet für mich: Die Menschheit verändert sich nicht (moralisch). Daher ist es keine Utopie.

Aber: Probleme werden durch Technik im selben Maße gelöst, wie neue entstehen. Das stimmt mich positiv!

* Orangener Gurt im PJJ * Grüner Gürtel im Drama-Fu (Drachen-Stil) * Brauner Gürtel im Pyro-Fu * Night's Master im Ghoulu Jitsu * Gelber Gürtel im Tanelorn *
Zitat von Der Oger am 13. Oktober 2021, 1:06 Uhr

Dune/BattleTech/Humanspace Empires (Post Apo, Neofeudalismus)

Technisch gesehen fällt Traveller in die gleiche Kategorie. Die lange Nacht, aus deren Asche das 3. Imperium hervorgegangen ist, hat >1500 Jahre gedauert, länger als das Imperium selber!

Das ist überhaupt das, was beim OTU alles andere überragt: Die geradezu zermalmende physische und zeitliche Skala der Dinge. Darum ist es mit dem 5FW angefangen, dann immer mehr mit der MT-Rebellion, den "Hard Times" und TNE sowieso, völlig aus dem Tritt geraten. Ein solches Setting passte einfach nicht zu der Mode, bahnbrechende Änderungen auf der gleichen Zeitskala, die wir mit unseren kurzen irdischen Interessensspannen erfassen, durchzuhecheln.

Was bei Traveller auch von Anfang an dabei war, war die unglaubliche Vielfalt der Lebens- und Gesellschaftsformen. Du konntest von einem Mittelalter-Planeten stammen oder von einer industriellen Treibhauseffekt-Welt, wie sie sich die Umweltpessimisten unserer Zeit in ihren schlimmsten Alpträumen ausmalen, oder von einem zukunftstechnologischen Wunderland, wie es sich Gene Roddenberry erträumt hat - und alles nur einen Hyperraumsprung voneinander entfernt. Deswegen kann man gar nicht sagen, dass Traveller eine Utopie sei oder nicht. Das Setting ist einfach viel größer, als einfach nur eine Zukunft für unseren kleinen Planeten zu erträumen.

Zitat von Settembrini am 12. Oktober 2021, 9:14 Uhr

Was ja von Zizek und Co und ich meine auch "schon" bei Adorno & Co drinne ist: Der Kunde selbst verändert sich/wird so verändert, daß er nur noch kauft und gar keinen Gebrauchswert auch nur mehr erwartet, den quasi von sich ABLEHNT. COke Zero ohne Koffein. Wird gerade überall plakatiert...

Ich glaube ja, die Kunden erwarten sich schon noch einen Gebrauchswert – nur halt einen ganz anderen als du.

  • Das Produkt ist Statussymbol (siehe „zeigt her eure Sammlung“-Threads).
  • Es wird selbst zum Fetisch, soll heißen, es wird ein kultischer Gegenstand, der mystifiziert wird. Im Dsa-Fandom täglich zu beobachten.
  • Es muss einer kaufmännischen Rechnung standhalten, damit ich am Ende sagen kann, dass dieser Preis für dieses Produkt gerechtfertigt ist, ich also schlau war und mich nicht verarschen lassen habe, indem ich ein überteuertes Produkt kaufe. Zu erkennen z.B an der Beschäftigung mit Produktionabläufen, finanziellem Status des Herstellers usw. Was natürlich Dinge sind, mit denen ich mich beschäftigen sollte, wenn ich schon Rollenspielprodukte kaufe – aber nicht, um am Ende festzustellen, ob ein Preis „gerechtfertigt“ ist. Da könnt ich mich endlos drüber aufregen. Nimmt gerne die von dir schon zitierte Form des „die müssen ja auch von was leben“ an.
  • Es generiert Gemeinschafts-/Zugehörigkeitsgefühl.

Zwei Anmerkungen: Das beruht v.a. auf meiner Beobachtung der DSA-“Community“. Wäre interessant zu wissen, wie DnD da abweicht. Und alle diese Dinge können auch eine Rolle spielen, wenn ich tatsächlich Produkte kaufe, um sie in vernünftiger Weise zu nutzen; dann aber eine sehr untergeordnete.

Tut mir leid, wenn ich hier Threadnekromantie betreibe – ich brauche Zeit zum Denken und halte mich auch öfter in internetlosen Gefilden auf. Ich würde auch noch was zum Begriff der Enteigentlichung und zu Kapital im Kommunismus schreiben, aber ich halt mich zurück...

Nein, bitte schreib! Enteigentlichung müßt ja eigentlich (hah!) was Gutes sein. Habe mir neulich mal die "Eigentlichkeits"-Suada von Adorno gegeben. Wußte ziemlich genau was er meinte, wobei die Formulierungen darauf hinweisen, daß er sehr konkrete Beispiele im Kopf hatte, die ich natürlich nicht kenne.

Ich glaube ja, die Kunden erwarten sich schon noch einen Gebrauchswert – nur halt einen ganz anderen als du.

Das ist ja quasi liberal-ökonomisch gedacht: solange jemand bezahlt hat das den Nutzen für den Kunden den der Preis anzeigt. Da glaube ich aber nicht mehr dranne. Insofern sind ja die marxisitischen Kategorien von Gebrauchswert usw. eben Gegenentwurf zur Nutzentheorie und v. a. Grenznutzentheorie in der Klassik.

ADD: habe das aus dem Gedächtnis aus meinen rudimentären VWL-Kursen geschrieben aber gerade nochmal WP befragt, die gibt mir Recht.

Und ich weiß selbst, daß ich in meiner liberalen Phase genau daß dem Marxismus vorwarf: Ohne Grenznutzentheorie Chaos (Murx habe ich damals gesagt) bei Marktsteuerung in der Planwirtschaft. So mein damaliges Argument und Verständnis. Für kulturelle Betrachtungen aber, und für das Verständnis der Gesamtbullshittisierung, kommt man mit "primitivem" (ceteris paribus, homo oeconomicus lala, pipapo, aka Kugelrunde Kuh, die ihre Masse in einem Punkt vereint) Grenznutzen nicht weiter.

 

Zitat von Settembrini am 23. Oktober 2021, 19:52 Uhr

Nein, bitte schreib! Enteigentlichung müßt ja eigentlich (hah!) was Gutes sein. Habe mir neulich mal die "Eigentlichkeits"-Suada von Adorno gegeben. Wußte ziemlich genau was er meinte, wobei die Formulierungen darauf hinweisen, daß er sehr konkrete Beispiele im Kopf hatte, die ich natürlich nicht kenne.

Ah, wenn du das hier schon kennst, dann weißt du ja schon, was ich meinte. Die Suche nach dem Eigentlichen, das aber immer unerreicht bleiben muss, weil es dieses Reine, Ursprüngliche nie gab. Das Beharren darauf ist einer der sicheren Wege in die Hölle auf Erden...

Die konkreten Beispiele sind dabei gar nicht so wichtig, viel interessanter ist es, dem in unserer Zeit nachzuspüren. Ein Schelm, wer an DSA denkt.

Das ist ja quasi liberal-ökonomisch gedacht

Oh nein, wenn schon, ist das ideologiekritisch oder psychoanalytisch gedacht: Wie kommt es, dass solche Dinge als Gebrauchswert empfunden und dargestellt werden?

Ich glaube auch nicht, dass der Preis dir Auskunft über den Nutzen einer Sache gibt. Sonst könntest du ja Bedürfnisse objektiv hierarchisieren, und dann hat ganz schnell irgendwer falsche Bedürfnisse, und was man mit solchen Leuten macht... Ein weiterer sicherer Weg in die Hölle auf Erden. Liberal gedacht also höchstens insofern ich die gegebene ökonomische Grundstruktur eben hinnehmen muss und dann wenigstens nicht auch noch eine Rechtfertigung für individuelle Bedürfnisbefriedigung geben müssen will.

Ist die Grenznutzentheorie nicht eher in Reaktion auf Marx entstanden, nachdem Ricardo unhaltbar geworden war? So hatte ich das in Erinnerung.

 

Ohne Grenznutzentheorie Chaos (Murx habe ich damals gesagt) bei Marktsteuerung in der Planwirtschaft.

Ich halte ja den Versuch, Marktsteuerung mit Planwirtschaft zu kombinieren, für prinzipiell völlig bescheuert - ob nun mit Grenznutzenbetrachtung oder ohne. Zumindest, wenn das Ziel des ganzen ein Verein freier Menschen sein soll. Wenns nur um Krisenbewältigung, aufholende Entwicklung, allgemeine Mobilmachung oder sowas geht, ja klar, dann los. "Sozialistische Anwendung des Wertgesetzes" hieß das bei Stalin, "Staatskapitalismus" bei Lenin.

Oh nein, wenn schon, ist das ideologiekritisch oder psychoanalytisch gedacht: Wie kommt es, dass solche Dinge als Gebrauchswert empfunden und dargestellt werden?

Meine Bemerkung kam daher, daß ich denke, Marx sieht eben einen streng materiell verhafteten und interpretierbaren objektiven Gebrauchswert, der dem Tauschwert gegenübersteht.

Was Du sagst, daß die veschweißten Produkte zu kaufen und stehenzulassen einen Nutzen für die Käufer darstellt, ist für mein Verständnis eben genau die neoklassische Perspektive: "Wer dafür Geld bezahlt, zieht offenkundig Nutzen daraus." Das ist tautologisch, aber im operativen Marktgeschehen als eine Art Axiom nützlich. Wenn wir aber halb-psychologisch argumentieren kommt es ja auf das Delta an, zwischen materiellem Gebrauchswert und dem Tauschwert. Das Delta meinst Du ja auch. Mit ner Neoklassik verschwindet es, wird gegenstandslos.

Aber am Ende sind das Begrifflichkeiten, wir gehen beide von einer Art Delta aus, oder besser einem Epsilon, das es zu erklären gilt.

 

Habe Folgendes gefunden, einige lefties nennen das Sign-Value:

https://en.wikipedia.org/wiki/Sign_value

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