Disputorium

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Regeldesign Heimlichkeit

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Zitat von Syndrom am 9. März 2020, 20:05 Uhr

... nochmal zurück zu meiner Frage:
Der Dieb schleicht in ein fremdes Haus
=> wer würfelt den Schleichen-Test, Dieb oder (hinterm Schirm gar) der DM  ?
=> weiß der Dieb, daß er sich furchtbar gut bzw. schlecht anstellt?

Der "Dieb" würfelt NIEMALS!

Der Dieb ist ja nur ein Charakter, der innerhalb der Spielwelt existiert. Sein SPIELER ist es, der würfelt. Und als Spieler weiß der natürlich, ob sein Wurf gut oder schlecht ausgefallen ist. Bei Systemen mit vergleichenden Würfen, wo z.B. ein Wächter-NSC vom SL "hinter dem Schirm" seinen Wahrnehmungs-Wurf durch den SL gewürfelt bekommt, kann der Spieler manchmal nur vermuten, wie gut das Ergebnis ausgefallen ist, aber oft genug weiß man, ob man richtig gut, knapp oder echt mies abgeschnitten hat.

In der Spielwelt weiß der "Dieb"-Charakter natürlich nur das, was ihm offenbar ist. Wenn also ein Wächter ihn gehört hat, sich aber absichtsvoll "unalarmiert" stellt, um dann mit Überraschung zuzuschlagen, weiß der Diebes-Charakter das nicht. Wenn er aber über knarzendes Parkett schleichen wollte, und dieses knarzt laut (schlechtes Wurf-Ergebnis), dann weiß er das auch in der Spielwelt ganz klar, daß es mit leise und heimlich nicht weit her war.

Was bei vielen Regelsystemen, die ich so spiele, noch hinzukommt: Metagame-Ressourcen. Die SPIELER verfügen über gewisse Ressourcen (Gummipunkte, Bennies, Heldenpunkte, etc.), die sie Wurfergebnisse verändern lassen (Nachwürfeln, Erhöhen des Erfolgsgrades, Abwenden eines kritischen Fehlschlages, usw.).

Um als Spieler die Entscheidung treffen zu können, nun eine dieser Spieler-Ressourcen einzusetzen, MUSS der Spieler wissen, wie gut das Ergebnis des (ersten) Wurfes ausgegangen ist. - Daher kann z.B. NIEMALS der SL "hinter dem Schirm" irgendwas zusammenwürfeln, was der Spieler nicht sehen "darf". Solch eine Geheimniskrämerei (ohne viel - positiven? - Einfluß auf die Spielspannung) gibt es in derartigen Systemen eh nicht, bzw. würde das Spiel dieser Systeme MASSIV STÖREN, bis zum Zusammenbruch der betreffenden Spieler-Ressourcen-Mechaniken.

Manche Systeme haben bei dieser Ressource immer noch einen Zufallseinfluß, bzw. eine "Wette auf besseres Ergebnis" eingebaut, so daß man z.B. einen Wurf zwar nachwürfeln kann, aber auch ein eventuell schlechteres Ergebnis dann akzeptieren muß. Andere erlauben einem Spieler die Wahl des besseren Ergebnissen. Wieder andere haben gar keinen Zufallseinfluß, sondern werten einfach einen Fehlschlag zu einem Erfolg auf oder einen Erfolg zu einem kritischen Erfolg und dergleichen.

Die Spieler-Ressourcen-Mechaniken, die immer noch einen (weiteren) Zufallseinfluß vorsehen, halten hier die Spannung beim Ausführen der Regelmechanismen aufrecht. Die Mechaniken, die direkt erhöhte Erfolgsgrade "kaufen" lassen, sind in dieser Hinsicht eher "unspannend" (was oft im Sinne der Entwickler der Systeme gewollt ist - hier will man bewußt weniger Zufallseinfluß und mehr wirkungsgarantierte Spielerentscheidungen haben).

 

Kurzfassung:

Es würfelt der SPIELER, NIE der nicht-existente Charakter.

Der SL würfelt nur, wenn es vergleichende Würfe gibt und er einen Widerstand (z.B. über den Wurf eines NSCs) ebenfalls mittels Wurf bestimmen muß.

Der Diebes-Charakter in der Spielwelt weiß manchmal, wie gut er geschlichen ist - hängt von der konkreten Situation, der Umgebung und dem Feedback, daß er auf seine Handlung erhält, ab. (Wächter reagiert nicht - kann sein, daß der nichts gehört hat, oder er verstellt sich. Parkettboden knarzt - war definitiv nicht leise, ist aber nicht sicher, ob das jemand gehört hat.)

Systeme mit Metagame-Mechaniken erfordern, daß der SPIELER die notwendigen Informationen über den Ausgang einer Handlung hat, um entscheiden zu können Metagame-Ressourcen einzusetzen.

@Zornhau: Wie stehst du zu Horchen- oder Wahrnehmungsproben? Würfelt der Spieler, weiss er, ob er schlecht gewürfelt hat. Das ist aber auch kein Problem, weil ...?

Spoiler
... weil der SL kurz darauf die Konsequenzen beschreibt, z.B. "Dein Erzfeind springt hinterm Busch hervor" oder "Die Wachen schlagen Alarm", und der Spieler nicht in die Versuchung geführt wird, sein Metawissen zu missbrauchen. Der Spieler bekommt nur ein paar Momente der Vorahnung, das nach dem versemmelten Wurf etwas Schlechtes passiert.

So mache ich das inzwischen, ohne groß drüber nachzudenken.

* Orangener Gurt im PJJ * Grüner Gürtel im Drama-Fu (Drachen-Stil) * Brauner Gürtel im Pyro-Fu * Night's Master im Ghoulu Jitsu * Gelber Gürtel im Tanelorn *
Zitat von ghoul am 10. März 2020, 8:28 Uhr

@Zornhau: Wie stehst du zu Horchen- oder Wahrnehmungsproben? Würfelt der Spieler, weiss er, ob er schlecht gewürfelt hat. Das ist aber auch kein Problem, weil ...?

... weil der SL kurz darauf die Konsequenzen beschreibt, z.B. "Dein Erzfeind springt hinterm Busch hervor" oder "Die Wachen schlagen Alarm", und der Spieler nicht in die Versuchung geführt wird, sein Metawissen zu missbrauchen. Der Spieler bekommt nur ein paar Momente der Vorahnung, das nach dem versemmelten Wurf etwas Schlechtes passiert.

Ich habe grundsätzlich KEINE Angst davor, daß Spieler irgendwelches "Metawissen" irgendwie "mißbrauchen" könnten.

Ich würfle eh in den allermeisten Regelsystemen ALLE Würfe offen, weil ich mit Spielern spiele, die die vielen verschiedenen Ebenen der Beteiligung im Rollenspiel auseinanderhalten können. Sie spielen ein Spiel, sie treffen Entscheidungen als Spieler, sie stellen eine Spielfigur dar, sie treffen Entscheidungen in der Rolle der Spielfigur, usw.

Wenn jemand seinen Wahrnehmungs-/Horchen-/Aufmerksamkeits-/was auch immer Wurf beim offenen Würfeln versiebt hat, dann ist ja eh nicht klar, ob es wirklich etwas wahrzunehmen gab. Manchmal war da einfach nichts, manchmal war da sowieso jemand, der nahezu perfekt versteckt war, so daß man ihn nur mit sehr gutem Wurf hätte entdecken können.

Und dann spiele ich ja auch Systeme wie das 2d20-System, wo man einen einfachen Wahrnehmungs-Wurf machen kann, für den man Grundinformationen erhält, wo man aber für das im Wurf oder im Gruppenpool vorgehaltene Momentum weitere Informationen abfragen kann. Da ist dann ein schlechter Wurf einer, der kein oder wenig Momentum erzeugt, so daß man nur einen Teil der erfahrbaren Fakten entdeckt hat.

Zitat von Der Oger am 8. März 2020, 23:03 Uhr

Wie seht Ihr das? Wie handhabt ihr das?

Ich kann zunächst nicht verstehen, wie das im Jahr 2020 IMMER NOCH ein Thema sein kann. Aber das zeigt wiederum nur, wie schlecht "wir" alle immer noch im neuen Medium RPG spielen und RPG designen sind (weshalb ich auch sehr zurückhaltend bin, GELD für RPG Produkte zu bezahlen, denn das setzt ja eine gewisse Professionalität des Designers voraus, die sehe ich aber nicht).

Ich leite es auch so, wie hier schon oft vorgeschlagen: Das Ergebnis hält eine gewisse "Phase" bzw. bis eine Änderung auftritt. Schlösser knacken geht z.b. auch nur einmal (z.B. bis die Spielfigur andere Dietriche hat). Das ist aber im Endeffekt auch total willkürlich, egal, ob man dann z.b. das Infinity System drüberstülpt oder nicht.

Gruppenproben sind noch schwieriger, das gilt auch in beide Richtungen NPC<->PC. Das Monster schleicht sich an und ALLE würfeln auf Wahrnehmung. Unfair? realistisch? Sollte es nicht viel einfacher sein, sich an eine Gruppe heranzuschleichen? Wer weiß das schon.

Das es für diese uralten RPG Probleme immer noch keine zuverlässigen Lösungen gibt, ärgert mich wirklich.

 

Zitat von BoyScout am 10. März 2020, 19:06 Uhr

Das Monster schleicht sich an und ALLE würfeln auf Wahrnehmung. Unfair? realistisch? Sollte es nicht viel einfacher sein, sich an eine Gruppe heranzuschleichen?

Ich weiß es: es ist schwieriger sich an eine Gruppe heranzuschleichen, die aufmerksam ist. Es ist leichter sich an eine Gruppe heranzuschleichen, die miteinander beschäftigt ist und nicht auf die Umgebung achtet.

Eine Gruppe Wachen, die in alle Richtungen sichern und achtsam sind, machen das Anschleichen deutlich schwerer, weil es ja schon reicht, daß auch nur einer davon etwas mitbekommt.

Eine Gruppe Abenteurer, die sich über die Verteilung des letzten geplünderten niedergemachten Orks kabbelt, sich untereinander streitet oder auch nur in ausgedehnte Diskussionen verstrickt ist, achtet nicht auf die Umgebung und erleichtert so das Anschleichen von Meuchelmonstern.

Das decken die meisten Systeme mit Erleichterungen (aufmerksame Wächter) oder Erschwernissen (unaufmerksame Gruppe) ab.

 

das ergibt quantitativ einen Sinn. Stellt sich halt die Frage, wie sich das mathematisch / statistisch niederschlägt. Ist es sinnvoll, den guten Schleicher (90%) dann gegen 10 Wachen würfeln zu lassen (90% * 90% * ..  = 35% afaik) oder gestaltet sich das evtl. viel komplexer. Ich erwarte, dass sich der Designer darüber Gedanken macht bzw. ein Konzept hat und glaube, das werden die wenigsten tun oder können.

Und dann kommt man schnell in die Sphären von "ach würfel halt mal auf irgendwas, ist mir egal, worauf", die ein Spielleiter mal (ich glaube scherzhaft) als bevorzugten Spielleiterstil beschrieb.

Deswegen tendiere ich in letzten Jahren auch eher zu regelleichteren Systemen, warum sich was vormachen?

Fight is my Stealth!

Wenn der Wächter liegt, dann hört er auch nix.

Current thinking of this agency: 10 Ignores

Beachten Sie die detaillierten Hinweise zum geräuscharmen Ableben eines von hinten erdolchten Wachmannes von Sir Christopher Lee, Ex-Kommando. Real talk!

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