Disputorium

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ZBR Episode 48 Was zum Teufel war in den 90ern los?

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Episode 48: Nineties! – a killing joke

So um 1:52 rum äußert Blut und Glas eine steile These. Ungefähr: "Eines der interessanten und wichtigen Elemente der Tätigkeit Rollenspiel ist das Gespräch am Spieltisch. Je geschlossener und funktionaler eine Regelanwendung ist, desto mehr erübrigt sich die Notwendigkeit des Gesprächs. Sobald die Regel in sich geschlossen ist und in sich funktioniert, kommst du an den Punkt, wo es überflüssig wird, sich zu unterhalten am Spieltisch. Deshalb braucht ein objektiv gutes Rollenspiel dysfunktionale Regeln."

Das ist totaler Blödsinn. Die interessanten Gespräche am Spieltisch (an meinem Spieltisch) werden nicht über die Regelanwendung geführt, sondern über Entscheidungen. D.h. selbst wenn die Regeln perfekt funktionieren muss sich die Gruppe ja immer noch darüber unterhalten, ob sie X oder Y machen soll, oder gar Z oder gar nichts.

So lange die Regeln also Platz lassen für diese Entscheidungen dürfen - bzw. sollen - sie gerne perfekt sein. Die Gespräche wird es trotzdem geben.Kritisch wird es nur dann, wenn die Regeln einem diese Entscheidungen abnehmen. Wenn es also z.B. bei D&D eine Regel für "Dungeon plündern" gäbe und den Spielern dann mit 1-2 Würfelwürfen die Anzahl der erbeuteten Goldstücke und verlorener TP liefert. Das wäre Unsinn, weil das ja das SPIEL ist und die SPIELER das machen sollen. Deshalb gibt es so eine Regel nicht. Vincent Baker hat das damals "fruitful void" genannt.

Manchen Leuten macht es aber Spaß, über Regeln zu reden. Z.B. wenn einer Recht haben will. Das kann er nicht ,wenns um Entscheidungen geht, da gibts kein richtig. bei Regeln schon, das kann man -oft-nachgucken.

ich mach das manchmal mit Setting Lore. Da diskutiere ich mit Leuten, und wir widersprechen uns, und dann drücke ich es ihnen mit Zitat rein, das in da und dort steht, das ich recht habe, und sie nicht. Nicht meine beste Eigenschaft, aber so isses. Zugegeben, die reaktion ist dann erbostes schweigen, und die Weigerung, je wieder mit mir zu reden, aber hey, nichts ist umsonst.

Ich muss noch einmal nachhören, wie ich mich im Radio genau ausgedrückt habe, aber generell zielt mein Gedankengang auf die Situation, dass Regeln so vollständig (und zwar auch "vollständig befriedigend") sind, dass es keinen Grund gibt ihre Ebene zu verlassen (auch Entscheidungen also innerhalb der Abstraktion der Regeln getroffen werden - und dabei interessant und relevant sind).

Sind die Spielregeln und ihre Anwendung in sich spannend genug und "abendfüllend" genug, dann verliert die Beschreibung der/die Verhandlung über die Spielwelt potentiell an Bedeutung.

Ich vermute auch, dass diese "Gefahr" umso größer ist, je abstrakter die Regeln (und gerade als quasi "vollständig"/"jede Situation abdeckend" angepriesene Regeln erreichen dies ja gerne über besonders starke Abstraktion) dabei sind (immer vorausgesetzt, dass sie immer noch spannend/"abendfüllend" in der Anwendung sind - sie also für sich [ohne Rollo!] als Spiel funktionieren).

(Chrononauts war in der Vergangenheit da ein gern von mir herangezogenes Beispiel.)

Current thinking of this agency: 10 Ignores

Ich finde das Argument auch nicht total quatschig, weil es ja Brettspiele gibt. Da ist das dann so, daß man zwar redet aber nichtmehr die Methode RSP anwendet. Ich habe das aber auch nicht zuende gedacht.

 

Hey, coole Folge. Wirklich schön, dass ihr diesen Podcast macht und derart in die Tiefe geht. Meine aktive Spielzeit liegt zwar fast 20 Jahre zurück, aber das Gesamtthema Rollenspiel fasziniert mich nach wie vor vom Seitenrand aus. Ich hatte mich früher nie mit den theoretischen und meta-orientierten Gedanken beschäftigt, die ich bei euch kennenlerne. Das macht aber in der Rückschau auf meine aktive Spielzeit, speziell die frühen Jahre, sehr viel Sinn alles.

Ich war genau der 90er-Prototyp dieser Folge. Als Jugendlicher mit Unmengen an DSA-Quellenbänden (Flora! Fauna! Landstriche!) und Wunderwelten-Magazinen (Atmosphäre-Tipps!) völlig versunken im Urlaub sitzend, mit riesengroßem Respekt vor der Komplexität des Ganzen und einem diffusen Gefühl des gewaltigen Potentials: Irgendwie müsste man das auch mal im Spiel umsetzen. In der Realität traf das dann auf eine Gruppe von Freunden, die halt keinen Bock hatten nach meiner Definition "richtig rollenzuspielen" und "Rondra zum Gruße" albern fanden. Auch ich selbst konnte an meinen Ansprüchen nur scheitern, denn vollgepumpt mit Lore hatte ich das Gefühl, jeden Landstrich kennen -, als Spielleiter jeden NPC mit maximalem Leben füllen -, als Top-Schauspieler jeden Charakter sprachlich authentisch und einzigartig darstellen zu müssen. Irgendwann kapitulierte ich vor der psychischen Anstrengung und es blieb viele Jahre beim reinen Konsum und Träumen.

Wobei ich schon sagen muss, dass die Beschäftigung mit dem Potential auch toll war und einen Wert für mich darstellt, solange man nicht zwangsläufig den Anspruch der Umsetzung hat. Durch die grundsätzliche Aussicht, die fantastischen Welten irgendwann tatsächlich am Spieltisch/in der Phantasie zu bereisen, war der emotionale Invest deutlich höher. Quasi wie eine perfekte Reiseplanung als Zwischending zwischen der reinen Lektüre eines Reiseromans und der tatsächlichen Reise mit all ihren realen Problemen.

Geleitet habe ich danach kaum noch. Später, durch einen lokalen RSP-Verein kam ich wieder mehr zum Spielen (vor allem mit Ruf des Warlock, hier könnte ich auch Kontakt zum späteren Entwicklerteam herstellen bei Bedarf), aber ich muss sagen, ich hätte damals gerne die ARS-Diskussion mitbekommen, denn ich fühle das ganz gewaltig und falls ich jemals wieder spiele, dann am ehesten auf diese Weise!

Weiter so! Ihr seid ein menschlich sehr angenehmes Sprecherteam und es ist toll, Leute zuzuhören, die derart komplexe Gedanken zum Hobby entwickelt haben!

(Nur ein Wunsch an dieser Stelle: Ihr springt öfter mal kopfüber in die Metathemen rein, voraussetzend, dass alle angesprochenen Begriffe/Themen den Zuhörer*innen längst klar sind. Man kann sich das zwar meist irgendwie nach 1,5h Diskussion ableiten, ich fände es halt super, wenn am Anfang von diesen Folgen, falls möglich, eine kurze Zusammenfassung kommt, um was es aktuell eigentlich geht, damit auch die Unwissenden abgeholt werden. Bei zeitbezogenen Themen passiert das öfter, bei Diskussionen über Meta-Texte weniger 🙂

Das freut uns sehr, was Du schreibst, danke für das Lob.

Hast Du vlt ein besipiel was kopfüber unverständliches Metathema war? Nur um besser zu verstehen, was Deine Bitte beinhaltet und wie wir ihr entsprechen können.

Hey, klar.

Zum Beispiel E47, die "Heartbreaker"-Folge. Bis ich verstanden habe, was mit dem Begriff gemeint war, war gefühlt die Hälfte der Folge rum (solange mich meine Erinnerung nicht trügt).

Da hätte mir ein "Heute reden wir aus Grund x über den Essay "Fantasy Heartbreakers" von Ron Edwards. R.E. ist diese und jene Person und eine Kurzzusammenfassung des Essays wäre wie folgt..." zu Anfang der Diskussion sehr geholfen, um gleich mit im Thema zu sein.

Und darüberhinaus, aber das mag nur für mich gelten, muss ich mir Begriffe wie "Forge" und "Trad Gaming" erstmal durch googeln herleiten. Andererseits würde ich das ZBR-Radio auch eher als Expertenpodcast betrachten, da ist die Einstiegshürde und das vorausgesetzte Basiswissen natürlich höher.

Zitat von Pyromancer am 5. Juni 2023, 20:42 Uhr

So um 1:52 rum äußert Blut und Glas eine steile These. Ungefähr: "Eines der interessanten und wichtigen Elemente der Tätigkeit Rollenspiel ist das Gespräch am Spieltisch. Je geschlossener und funktionaler eine Regelanwendung ist, desto mehr erübrigt sich die Notwendigkeit des Gesprächs. Sobald die Regel in sich geschlossen ist und in sich funktioniert, kommst du an den Punkt, wo es überflüssig wird, sich zu unterhalten am Spieltisch. Deshalb braucht ein objektiv gutes Rollenspiel dysfunktionale Regeln."

Das geht wahrscheinlich auf eine Diskussion zwischen b_u_g und mir vor ein paar Jahren zurück. Es ging um Hausregelschrauberei als Beschäftigung und Diskussionsstoff zwischen den Sitzungen, praktisch als Crunch-Gegenstück zu Barbiespielern die zwischen den Sitzungen Wohnungsgrundrisse für ihre Charakter zeichnen u.ä., und dass dabei komplexe aber unrunde Systeme eher zur Schrauberei einladen als abstrahierte und straffe Systeme. Konkretes Beispiel war Shadowrun 2/3, meine ich (wo man nicht viel verpfuschen kann, aber schon mit wenig Aufwand Verbesserungen an den Originalregeln erzählen kann - und man kann da jahrzehntelang Baustellen finden).

Zitat von nachtaktiv am 8. Juni 2023, 17:40 Uhr

Hey, klar.

Zum Beispiel E47, die "Heartbreaker"-Folge. Bis ich verstanden habe, was mit dem Begriff gemeint war, war gefühlt die Hälfte der Folge rum (solange mich meine Erinnerung nicht trügt).

Ahh, danke! Ja, kalr, das können wir machen! Ab der übernächsten Folge dann!

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