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Warum sind Rollenspiele so schlecht darin Wirtschaft zu beschreiben?

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Zitat von ErikErikson am 22. März 2023, 18:06 Uhr

Ich denke, das die wenigsten Autoren begreifen, wie Wirtschaft funktioniert.

Nachdem die wenigsten Wirtschaftspolitiker und kein einziger Wirtschaftsminister der letzten Jahrzehnte begriffen hat, wie Wirtschaft funktioniert, ist es illusorisch anzunehmen, daß Rollenspielautoren dies leisten können.

(Nebenbei: die meisten - wenn nicht gar alle - Rollenspielautoren haben ja auch schon nicht begriffen, wie KAMPF wirklich funktioniert. Es gibt kein einziges Rollenspiel, das tatsächlich das SEHR komplexe Echtzeitproblem eines Ernstkampfes in irgendeiner auch nur halbwegs reale Verhältnisse approximierender Weise abzubilden vermag. - Wenn da schon versagt wird, dann darf man bei anderen Feldern, wie z.B. Klettern, Segelschifffahrt, "Hacken", etc. rein gar nichts erwarten.)

Zitat von Zornhau am 22. März 2023, 23:46 Uhr

(Nebenbei: die meisten - wenn nicht gar alle - Rollenspielautoren haben ja auch schon nicht begriffen, wie KAMPF wirklich funktioniert. Es gibt kein einziges Rollenspiel, das tatsächlich das SEHR komplexe Echtzeitproblem eines Ernstkampfes in irgendeiner auch nur halbwegs reale Verhältnisse approximierender Weise abzubilden vermag. - Wenn da schon versagt wird, dann darf man bei anderen Feldern, wie z.B. Klettern, Segelschifffahrt, "Hacken", etc. rein gar nichts erwarten.)

Erwarten kann man nichts, aber geliefert wurde in der Vergangenheit so einiges.

Wissen auf dem Niveau, das für ein Rollenspielsystem notwendig ist, kann man sich anlesen. Auch ohne Fachstudium. (Aber einen wachen wissenschaftlichen Geist sollte man haben.)
Klettern? The Mountain Environment von JAK. Segelschifffahrt? Privateers & Gentlemen bzw. Heart of Oak von Walter Jon Williams. Hacken? GURPS Cyberpunk (aka "das Buch, das vom Secret Service beschlagnahmt wurde") von Loyd Blankenship.
Ist allerdings Arbeit, und die können/wollen sich viele heutige Autoren nicht machen. Vergleich von Mercenary (CT) und Mercenary (MgT 1st Edition) zeigt das sehr schön.

Dass Hauen und Stechen nicht (nach Deinen Vorstellungen) realistisch abgebildet wird, kann nun zum Einen daran liegen, dass es dafür nicht die Literatur zum Anlesen gibt. Klar, Fechtbücher usw. existieren, aber im militärischen Bereich hört auf der allerletzten taktischen Ebene, also da, wo man dem Gegner mit dem Klappspaten den Schädel spaltet, die Fachliteratur auf. Meiner Beobachtung nach jedenfalls. So gesehen ist der (Nah-)Kampf schwieriger zu gestalten als die o.g. Beispiele, nicht einfacher.

Zum Anderen ist es aber vielleicht einfach auch so, dass bei den meisten (nicht allen) Rollenspielen Hauen und Stechen zwar eine große Rolle spielen soll, dass aber gleichzeitig eine getreue Modellierung realer Nahkampfsituationen gar nicht gewünscht ist. Nahkampf bis zum Tode nehmen die meisten Menschen (alle hier Anwesenden eingeschlossen, darf ich vermuten?) glücklicherweise von jeher (seit Homer, mag man sagen) nur durch fiktive Erzählungen wahr, und dass sich an denen die Erwartungshaltung ausbildet, ist nur natürlich.

Zitat von Settembrini am 22. März 2023, 16:26 Uhr

Old BattleTech hat sehr gute Ansätze...gerade eben mich sehr über Labour Union of Lyran teamsters gefeut im NAIS-Atlas...By F. Peterson/Petersen ist konstant gut in fiktiver Zivilgeschichte.

Wollen wir das echt schon wieder anfangen? FASAnomics ist ein Spottwort, das weißt Du schon?

Beispiele wie das o.g. sind Chrom.  Atmosphäre. (Schröckliches Wort): Stimmung. Das konnten die FASA-Bücher gut (auch wenn sie teilweise einfach avant la lettre copy&paste aus ihren Quellen betrieben haben.) Sie sind jedoch keine Modellierung.

Vielleicht ist Wirtschaft auch zu hoch gegriffen. Rollenspiel simuliert ja auch nicht Krieg, sondern Kampf. Handel kann ja halbwegs abgebildet werden.

Zitat von Zornhau am 22. März 2023, 23:46 Uhr
Zitat von ErikErikson am 22. März 2023, 18:06 Uhr

Ich denke, das die wenigsten Autoren begreifen, wie Wirtschaft funktioniert.

Nachdem die wenigsten Wirtschaftspolitiker und kein einziger Wirtschaftsminister der letzten Jahrzehnte begriffen hat, wie Wirtschaft funktioniert, ist es illusorisch anzunehmen, daß Rollenspielautoren dies leisten können.

Dies. Wir tappen schon in der realen Welt nach wie vor im Dunkeln, wie Wirtschaft funktioniert, und haben sehr viel mit Ideologen zu kämpfen die primär eine bestimmte Agenda pushen.

Wirtschaftssimulation I'm Rollenspiel funktioniert nur in sehr abstrakten, vereinfachten Modellen, nach dem merkantilistischen Strickmuster "Buy low, sell high" wie bei Traveller oder Pauschalannahmen wie "Ein Handwerker verdient im Schnitt 325gp im Jahr, macht bei Steuerrate 20% 650sp p.a. pro Handwerker im Säckel des Name-Level-Magiebenutzers"

Wulfhelm, Boy F. Petersen hat sehr wenig mit Fasanomics zu tun.

 

Um mal anzudeuten, was ich meine: In den Future History-Texten der ewrsten Generation sind viele Dinge zu finden, die andernorts fehlen:

Bewußtsein, daß es Klassen und Arbeitskämpfe gibt, diese werden sogar einigermaßen realistisch geschildert, Bewußtsein, daß auch im Krieg einige Handelskonsortien gerene weiter den "Feind" beliefern würden, daß Embargos umgangen werden, Probleme und Vorteile von Planwirtschaft, Interaktion von Konsumgüterindustrie, Logistik, Allokationsproblemen inlusive und so weiter.

In textlichen Ansätzen, nicht in quantitativen Modellen. Und bei den nachgeborenen Autoren ist das alles dann auf Schwundstufe, intellektuell.

Die quantitativen Modelle hat es bei Traveller, aber Traveller ist zwar numerischer, dafür aber etwas naiver neoklassisch.

Ich glaube auch ,das wir das Problem haben, das wir selbst, also also Gesellschaft, nicht wirklich wissen, wie Wirtschaft funktioniert. Bei Kampf und krieg schon eher, obwohl es auch da schwer ist, aber zumindest sagen da alle das Sun Tzu schon irgendwie recht hat.

Bei Wirtschaft haben wir halt zig Theorien, die alle schlecht sind, und sich auch noch widersprechen.

Man kann sagen, wie sich Wirtschaft historisch entwickelt hat, und sich dann da entlangangeln, aber das ist statisch.

 

 

Also ich finde den Hinweis XY ist im RPG nicht "realistisch" nicht hilfreich. Natürlich ist es das nicht. Kampfregeln sind ja der beste Beweis, dass man per Regeln eine kampfähnliche Situation spielwelttechnisch funktional abbilden kann, ohne gleich alles bis zur Quantenverschränkung zu berücksichtigen.

Von daher sollte es doch zunächst genügen, zumindest ein grundlegend funktionales Spielsystem für die Wirtschaft im eigenen Spielweltbereich zu bekommen (oder zu machen). Das würde ich dann evtl. noch trennen in in-game und off-game Ebene. Man kann es off-game zur Vereinfachung ganz abstrakt abhandeln, aber wenn in-game ein Spieler nach einem Preis fragt und einer Menge, dann sollte man auch irgendwo her eine Antwort bekommen.

Wobei mir "Wirtschaft" von außen betrachtet als Forschungsbegriff immer zu breit vorkommt. Das geht für mich so in Richtung Weltformel, ist doch klar, dass man da nicht hintersteigt. Es hilft sicher, sich Teilbereiche anzuschauen.

Auch dass man sich doch bitte diese und jene Buchreihen durchlesen solle, finde ich zu viel verlangt. Autodidaktik ist begrüßenswert, aber jeder hat eine Grenze und die ist Zeit. Ich meine, ich nehme es keinem Designer (mehr) übel, wenn bestimmte Aspekte, in denen mich mich auskenne, großenteils verkorkst sind, so lange es in sich stimmig bleibt. Schlussendlich ist jegliches RPG Projekt interdisziplinär stemmbar, aber es gibt viel zu viel einsame Wölfe.

Falls man als SL alleine dasteht (und das tun sicher die meisten) sollten die RPG Materialien anderer Designer eigentlich einen Großteil dieser Lücken übernehmen, aber sie müssen natürlich eine bestimmte Qualität aufweisen, um nutzbar zu sein - und dann wird wieder ein Schuh draus (ok, wir finden jetzt EINEN RPG-Autoren weltweit, der das Problem erkannt hat und sich auch noch mit "Wirtschaft" auskennt, aber hat er auch die didaktischen Skills, das aufzubereiten, die technischen Skills, es übersichtlich darzustellen, die sozialen Skills, das unter die Leute zu bringen etc.pp.?).

tldr: nicht nur in Wirtschaft sind RPGs schlecht.

Gter Punkt: Warum wird Wirtschaft so oft komplett ignoriert, wäre die treffendere Frage!

Zitat von BoyScout am 23. März 2023, 17:32 Uhr

Auch dass man sich doch bitte diese und jene Buchreihen durchlesen solle, finde ich zu viel verlangt. Autodidaktik ist begrüßenswert, aber jeder hat eine Grenze und die ist Zeit. Ich meine, ich nehme es keinem Designer (mehr) übel, wenn bestimmte Aspekte, in denen mich mich auskenne, großenteils verkorkst sind, so lange es in sich stimmig bleibt. Schlussendlich ist jegliches RPG Projekt interdisziplinär stemmbar, aber es gibt viel zu viel einsame Wölfe.

Wenn man über irgend etwas außer persönlichen Eindrücken (gut) schreiben will, muss man recherchieren. Ist so. Egal, ob es ein Drehbuch, ein Roman oder ein Rollenspiel ist.

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